Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Empört euch
Eine Binsenweisheit: Wir leben im 21. Jahrhundert und zählen zu den wohlhabendsten wie demokratischsten Ländern der Erde – und entlohnen Frauen bei gleicher Arbeit um sechs Prozent schlechter als Männer. Mit welcher Begründung? Weil Männer sich beim Armdrücken besser schlagen oder am Holzkohlegrill ein tolle Figur machen? Will sagen: Wir sprechen hier von einer Farce, über die man lachen müsste, wäre dieser Zustand nicht beschämend und komplett aus der Zeit gefallen. Tatsache ist jedoch, dass er für etwa ein Viertel der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern steht. Die übrigen drei Viertel der Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechtern beruhen auf strukturellen Ursachen: Frauen arbeiten eher befristet, in Teilzeit, geringfügig beschäftigt, zudem in sogenannten Frauenberufen etwa in der Pflege oder im Einzelhandel. Doch was tun gegen Diskriminierung und Strukturstau? Es braucht zweierlei: politische Instrumente und eine starke Öffentlichkeit.
Regelt es der Markt nicht selber, muss die Politik für höhere Löhne in besagten Branchen sorgen. Eine alte Forderung, die aber nichts an Aktualität verloren hat, wie die Statistiken zeigen. Ebenso alt ist die Debatte um eine Frauenquote, der auch aufgeschlossene Männer bisweilen skeptisch gegenüberstehen. Aber: Eine Frauenquote könnte erreichen, dass weibliches Personal schon in jungen Jahren gefördert wird, damit es später Spitzenpositionen übernehmen kann, die heute noch von Männern besetzt werden.
Nichts wirkt aber stärker, um Ziele durchzusetzen, als öffentlicher Druck. Manchmal wird er sogar von politischen Instrumenten befördert. Etwa durch das neue Lohntransparenz-Gesetz, das innerhalb großer Unternehmen einen Vergleich der Verdienste ermöglicht. Bestenfalls verwandelt sich auf diesem Weg Ungerechtigkeit in Gerechtigkeit. Was die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern angeht, kann daher die Empfehlung nur lauten: Empört euch! Ein Rat, der nicht zuletzt an die Frauen geht, die ihre Rechte auch offensiv vertreten müssen.