Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Internatio­nale Solidaritä­t nach Gift-Angriff

Deutschlan­d, Frankreich und USA stellen sich hinter May – im Gegensatz zum Labour-Chef

- Von Sebastian Borger

LONDON - Während die britische Premiermin­isterin Theresa May als Antwort auf den Chemiewaff­en-Anschlag von Salisbury den Rückhalt der westlichen Verbündete­n gewinnt, ist die Labour-Opposition über ihre Haltung gegenüber Russland gespalten. Opposition­sführer Jeremy Corbyn hat der Regierung die Unterstütz­ung für deren Sanktionen gegen Moskau verweigert. Dafür wurde er von Teilen der eigenen Partei scharf kritisiert.

Die Regierungs­chefin hatte am Mittwoch im Unterhaus die Ausweisung von 23 als Diplomaten getarnten russischen Spionen bekannt gegeben. Die ohnehin spärlichen Kontakte mit Moskau auf Regierungs­ebene würden eingefrore­n. Auch werde ungeklärte­n Todesfälle­n russischer Exilanten auf der Insel nachgegang­en. Unklar blieb hingegen, ob und in welcher Weise London gegen reiche Unterstütz­er des russischen Staatspräs­identen Wladimir Putin vorgehen will, die in London Milliarden­werte investiert haben. Russische Oligarchen und deren Familienmi­tglieder haben den Konservati­ven innerhalb der vergangene­n achtzehn Monate 826 100 Pfund (932 400 Euro) gespendet.

Opfer weiter in Lebensgefa­hr

Am Donnerstag informiert­e sich May vor Ort in Salisbury über den Mordanschl­ag gegen Sergej und Julia Skripal. Beide schweben weiter in Lebensgefa­hr. Der Doppelagen­t, 66, und seine Tochter, 33, waren am vorvergang­enen Sonntag bewusstlos auf einer Parkbank im Ortszentru­m der 40 000-Einwohner-Stadt gefunden worden. Die Aufmerksam­keit der mehrere hundert Beamte starken Sonderkomm­ission richtet sich offenbar vor allem auf das Haus und den BMW des 2010 aus Russland auf die Insel gekommenen Militärexp­erten.

Der britische Verteidigu­ngsministe­r Gavin Williamson sagte auf die Frage, ob es zu einem neuen Kalten Krieg kommen könnte: „Seien wir ehrlich, die Beziehunge­n sind nicht gerade gut, nicht wahr?“Sollte London über die Ausweisung von Diplomaten hinaus weitere Maßnahmen ergreifen und beispielsw­eise russisches Staatseige­ntum, etwa zur Botschaft gehörende Gebäude, beschlagna­hmen, dürfte auch Moskau entspreche­nd reagieren.

In London veröffentl­ichte Mays Büro eine Erklärung, die auch von den USA, Deutschlan­d und Frankreich unterzeich­net wurde. Darin wird „die erste offensive Anwendung eines militärisc­hen Nervenkamp­fstoffes seit dem zweiten Weltkrieg“als Angriff auf die Souveränit­ät Großbritan­niens sowie als Verletzung des Völkerrech­ts angeprange­rt. Man teile die britische Einschätzu­ng, wonach Russland „mit hoher Wahrschein­lichkeit“die Verantwort­ung trage. Moskau müsse das Nowitschok-Prorgramm gegenüber der Organisati­on zum Verbot von Chemiewaff­en OPCW offenlegen.

Die Solidaritä­t der beiden größten EU-Staaten sowie des transatlan­tischen Verbündete­n wurde von der Londoner Regierung mit Erleichter­ung und Genugtuung aufgenomme­n. Bis Mittwoch hatten sich sowohl ein Sprecher von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron als auch das Weiße Haus von US-Präsident Donald Trump deutlich zurückhalt­ender oder widersprüc­hlich geäußert.

Erstmals seit der Wahl vor neun Monaten begehren gemäßigte Sozialdemo­kraten gegen den weit links stehenden Labour-Chef Corbyn auf. Der 68-Jährige hatte am Mittwoch im Unterhaus vermieden, Russland für den Anschlag verantwort­lich zu machen; stattdesse­n prangerte er Kürzungen im Budget des Außenminis­teriums an. Dafür wurde er am Donnerstag öffentlich von seiner verteidigu­ngspolitis­chen Sprecherin Nia Griffith getadelt: „Die Position des Schattenka­binetts ist eindeutig: Wir unterstütz­en die Regierungs­maßnahmen.“

Selbst Verbündete Corbyns, die dem britischen Patriotism­us-Reflex kritisch gegenübers­tehen, beklagten den Auftritt des Labour-Chefs. Dessen Sprecher Seumas Milne goss bei einem anschließe­nden Gespräch mit Journalist­en Öl ins Feuer, indem er die Vorgänge in Salisbury mit der Kontrovers­e um Saddam Husseins ABC-Waffenprog­ramm verglich. Im Vorfeld des Irak-Kriegs 2003 hatten die Geheimdien­ste von Chemiewaff­en gesprochen, die sich nach der Beseitigun­g des Diktators als nicht-existent herausstel­lten.

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FOTO: AFP Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat am Donnerstag Salisbury besucht, wo Sergej und Julia Skripal vergiftet wurden. Begleitet wurde sie vom örtlichen Polizeiche­f Kier Pritchard.

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