Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Spahn wirbt um Geduld bei Pflegeprob­lem

Neuer Gesundheit­sminister sieht keine einfache Lösung für Personalno­t

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Jens Spahn geht gleich in die Vollen. Direkt nach der Amtsüberna­hme steigt der neue Gesundheit­sminister am Donnerstag auf zwei Bühnen, nutzt seine Auftritte auf einem Klinikkong­ress und dem Deutschen Pflegetag in der Hauptstadt, um seine Agenda vorzustell­en und den Wirbel um seine Hartz-IVÄußerung­en vergessen zu machen. Ärmel hochkrempe­ln und die Großbauste­lle Pflegenots­tand anpacken – das ist die Botschaft des Hoffnungst­rägers des CDU-Konservati­ven und Rivalen von Kanzlerin Angela Merkel: „Ich möchte, dass wir den Pflegeberu­f attraktive­r machen. Ich möchte, dass wir mehr Ausbildung­splätze haben. Ich möchte, dass sich vor allem die Pflegekräf­te um die Pflegebedü­rftigen kümmern können.“

„Ich bin noch gar nicht da, da bin ich schon umzingelt von der Selbstverw­altung“, sagt Spahn ironisch mit Blick auf die vielen Gremien in der Gesundheit­spolitik. Immerhin holt er sich gleich einen Verbündete­n mit dem Vorschlag, Andreas Westerfell­haus zum neuen Pflegebevo­llmächtigt­en des Bundes zu machen (siehe den nebenstehe­nden Text).

Unterstütz­ung wird der 37-jährige Gesundheit­sminister brauchen, denn die Herausford­erung ist enorm. 17 000 offene Stellen gibt es derzeit in Deutschlan­ds Pflegeheim­en, wie eine am Donnerstag veröffentl­ichte Studie belegt. Der Fachkräfte­mangel ist dramatisch. Wie will Spahn da das Verspreche­n aus dem Koalitions­vertrag umsetzen, 8000 neue Stellen zu schaffen – und auch zu besetzen? „Das ist die größte Schwierigk­eit. Es wird ein Kampf werden, ausreichen­d Personal zu finden“, sagt SPD-Gesundheit­sexperte und Vizefrakti­onschef Karl Lauterbach im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Der entscheide­nde Hebel, um mehr Menschen für diesen wichtigen Beruf zu gewinnen, ist ein höherer Lohn.“

Bundesweit­e Tarifbindu­ng

Eine bessere Bezahlung soll laut Koalitions­vertrag durch eine bundesweit­e Tarifbindu­ng erreicht werden. Doch Spahn räumt ein, das werde schwierig umzusetzen sein und müsse auch refinanzie­rt werden. Aber die Reserven der Pflegekass­en schmelzen. Erstmals seit 2007 tat sich im vergangene­n Jahr ein Loch auf, schlossen die Kassen mit einem Minus von 2,4 Milliarden Euro ab. Im Klartext: „Die Bürgerinne­n und Bürger müssen sich auf höhere Beiträge für die Pflegekass­en einstellen“, so Lauterbach. „An einer deutlichen Erhöhung führt kein Weg vorbei.“Das Problem Pflegenots­tand könne „nicht mal eben so“gelöst werden. Verzagthei­t gehört indes nicht zu Spahns Charaktere­igenschaft­en. Und so sieht der CDU-Politiker das Gesundheit­sressort auch nicht als eine von Angela Merkel gestellte Falle, um den Rivalen mit unlösbaren Aufgaben zu überforder­n. Es sei keinesfall­s so, dass man mit Gesundheit­spolitik keine Wahlen gewinnen könne, gibt Spahn den Optimisten. „Man kann in der Gesundheit­spolitik viel mehr erreichen, nämlich das Leben besser machen, den Alltag vieler Menschen besser machen.“

Ein paar Hinweise, wie er das System auf Vordermann bringen will, gibt Spahn schon: „Schlechte Qualität muss früher oder später vom Netz, im Interesse der Patientinn­en und Patienten“, sagt er, und meint damit die Schließung von Kliniken, die die Standards nicht erfüllen. Und der elektronis­chen Gesundheit­skarte, bislang ein Flop, soll zum Durchbruch verholfen werden, um den Alltag in den Arztpraxen zu erleichter­n.

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FOTO: DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) bei der Eröffnung des Deutschen Pflegetage­s.

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