Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Gehaltsklasse erste Liga
Zweistellige Millionenvergütungen im Dax scheinen sich durchzusetzen
FRANKFURT - Der Spitzenverdiener im Deutschen Aktienindex Dax trägt seit einer Augenverletzung eine Sonnenbrille. Er heißt Bill McDermott, der Chef des Walldorfer Softwarekonzerns SAP. Auf fast 22 Millionen Euro belaufen sich die Gehaltszuflüsse auf sein Konto für das vergangene Geschäftsjahr – eine satte Steigerung um rund ein Viertel im Vergleich zum Jahr davor. „Auf dem internationalen Parkett gehört SAP zu den großen Playern“, sagt Ralph Lange von der Unternehmensberatung Willis Towers Watson. Lange und seine Kollegen haben eine Studie zu den Vorstandsvergütungen der DaxVorstände vorgelegt. „Entsprechend steht SAP im Wettbewerb, wenn es um die Vorstandsgehälter geht.“
Allerdings ist es in diesem Wettbewerb gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Denn bei Vorstandsgehältern großer Börsenkonzerne stellt sich immer auch die Frage, wie man sie berechnet – was also alles in die Berechnung mit einfließt. Insgesamt lässt sich nämlich sagen: Das reguläre Salär, das beispielsweise ein Herr McDermott auf seinem Gehaltszettel jeden Monat nachlesen kann, ist verschwindend gering gegenüber den gesamten Zuflüssen von knapp 22 Millionen Euro. Es lag im vergangenen Jahr bei „lediglich“1,4 Millionen Euro. Der Rest sind variable Vergütungen, also mehr oder minder erfolgsabhängige Boni verschiedener Art, Aktienoptionen und Langzeitprämien.
Ruf nach mehr Transparenz
Aktionärsschützer wie Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz fordern schon seit Längerem mehr Transparenz bei der Frage, wie viel Geld Vorständen großer Börsenkonzerne zufließe. Denn viele Prämien sind auf Jahre angelegt und verteilt – deswegen ist es zu einem gegebenen Zeitpunkt schwierig, die Summen wirklich fest zu machen. „Hier ist Abrüstung, Vereinheitlichung und Standardisierung gefragt“, kritisiert Nieding. „Aktionäre sollten auf der Hauptversammlung schon klar einschätzen können, wie hoch die Gehälter der Vorstände ausfallen werden.“
Mit derlei mehr oder weniger durchsichtigen Prämien jedenfalls kommen einige der Dax-Vorstände auf zweistellige Millionengehälter. Unter den bislang ausgewerteten 21 Konzernberichten finden sich drei weitere Herren in dieser Gehaltsklasse: Daimler-Chef Dieter Zetsche, der scheidende BASF-Chef Kurt Bock und Siemens-Chef Joe Kaeser.
Inoffiziell kommt auch Volkswagen-Chef Matthias Müller über die zweistellige Millionen-Euro-Grenze – trotz des Dieselskandals und trotz eines neu eingeführten Vergütungssystems, das die Gehaltsobergrenze für den Konzernchef eigentlich auf zehn Millionen Euro deckelt. Zwar weist VW für Müller 2017 ein Gehalt von 9,5 Millionen Euro aus. Doch rechnet man die Nebenleistungen und den Versorgungsaufwand hinzu, die VW beide nicht in die Obergrenze einfließen lässt, sondern nur „berücksichtigt“, kommt Müller auf 10,3 Millionen Euro. Allein die Pensionszusagen des VW-Chefs machen 613 000 Euro aus.
Das hat sogar Kanzlerin Angela Merkel verwundert. „Ich freue mich, wenn es Gewinne gibt“, sagte die Kanzlerin in einem Fernsehinterview. Auf die Frage, ob sie sich, angesichts der Diesel-Debatte und der hohen Gewinne von Volkswagen nicht an der Nase herumgeführt fühlt, fügte Merkel hinzu: Sie sei „schon erstaunt, dass es auch sehr hohe Zuwachsraten bei bestimmten Gehältern gibt“.
Gewinne klettern schneller
Davon abgesehen haben Ralph Lange und seine Kollegen von Willis Towers Watson die Gehaltsentwicklung der Dax-Vorstände in Beziehung gesetzt mit der Gewinnentwicklung der Börsenunternehmen. Und dabei festgestellt, dass die Zuwachsraten bei den Vorstandsgehältern hinter den Gewinnentwicklungen der Konzerne zurückbleiben. Während die Gehälter der Konzernchefs im Durchschnitt um kanpp sieben Prozent gestiegen sind, sind die Unternehmensgewinne im gleichen Zeitraum um fast 13 Prozent geklettert. Verglichen allerdings mit den Gehältern und der Lohnentwicklung von Arbeitnehmern sind Zuwächse von sieben Prozent außergewöhnlich hoch.
Im Europäischen Vergleich liegen die Vorstandsgehälter der Dax-Konzerne grob im Schnitt. Die Vergütungsniveaus in den USA haben dagegen noch immer einen deutlichen Vorsprung zu den deutschen Werten. Selbst Spitzenverdiener im Dax erreichen noch nicht die Gehälter ihrer Konkurrenten in den Vereinigten Staaten.
Keine Unterschiede gibt es hingegen zwischen den Geschlechtern: Weibliche Vorstände verdienen genau so viel wie ihre männlichen Kollegen in Dax-Unternehmen. Allerdings sind weibliche Führungskräfte noch immer die Ausnahme: Von 11,5 Prozent ist die Zahl der weiblichen Dax-Vorstände im vergangenen Jahr nur leicht auf 13,4 Prozent gestiegen. Unerfreulich einfach zu errechnen ist die Quote der DAX-Chefinnen: Sie liegt bei null – kein einziges der 30 Dax-Unternehmen wird also von einer Frau geführt.