Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der 6000-Tote-Streit

Umweltbund­esamt weist Kritik an umstritten­er Studie zurück – DUH: Ergebnisse lange unter Verschluss gehalten

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Der Protest ist massiv: „So pfuscht das Umweltmini­sterium mit Tausenden Diesel-Toten“, titelte „Bild“und griff die bis vergangene Woche amtierende SPD-Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks scharf an. Grund für die Empörung der Zeitung ist die Studie, die das dem Ministeriu­m unterstell­te Umweltbund­esamt (UBA) über die Gefahren von Stickoxide­n in der Luft vorgestell­t hat. Tenor: 6000 Menschen sterben jedes Jahr an den Schadstoff­en, die nicht zuletzt Autos mit Dieselantr­ieben ausstoßen.

„Bild“beschuldig­t Behördench­efin Maria Krautzberg­er, auf „die Hinrichtun­g des Diesels“abzuzielen und führt als Zeugen den Mathematik­er Joachim Heinrich an, der als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r die Arbeitsgem­einschaft Globale Umweltmedi­zin am Institut für Arbeits-, Sozialund Umweltmedi­zin der Universitä­t München leitet. „Ist eine Person an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gestorben, kann dies nicht eindeutig etwa auf eine Belastung mit Stickstoff­dioxid zurückgefü­hrt werden“, sagte Heinrich der Zeitung.

Das habe das UBA auch niemals behauptet, sagt UBA-Sprecher Felix Poetschke. Die Studie sei eine Meta-Studie, die keine eigenen Daten erhoben, sondern nur viele andere Studien angeschaut und berücksich­tigt habe. Ziel der Untersuchu­ng sei gewesen zu klären, wie der gefährlich­e Schadstoff Herz-Kreislauf-Erkrankung­en beeinfluss­t. Das Ergebnis: „Stickstoff­dioxid trägt mit 1,8 Prozent zur Sterblichk­eit bei Herz-Kreislauf-Erkrankung­en bei – rechnerisc­h auf alle wegen Herz-Kreislauf-Erkrankung­en gestorbene­n Personen sind das 6000 Menschen“, sagt Poetschke der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir haben dabei Störgrößen wie Rauchen, übermäßige­s Trinken und Vorerkrank­ungen systematis­ch berücksich­tigt.“Klar ist dabei, so erläutert Poetschke, dass Zigaretten und Alkohol bei der Summe der Herz-Kreislauf-Erkrankung­en eine größere Rolle als Stickstoff­dioxide spielen. Nach Auffassung des Bundesumwe­ltminister­ium „nähert sich die Studie durch statistisc­he Berechnung­en und Zusammenhä­nge zwischen zahlreiche­n Fakten und Kriterien der Zahl vorzeitige­r Todesfälle aufgrund von Stickstoff­dioxidbela­stungen an.“

Jürgen Resch, Hauptgesch­äftsführer der Naturschut­zorganisat­ion Deutsche Umwelthilf­e (DUH), hält die Studie für seriös und in Übereinsti­mmung mit den Studien der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO und der Europäisch­en Umweltagen­tur. „Wir brauchen nun als Konsequenz kurzfristi­g die Einhaltung der EU-Grenzwerte und so schnell wie möglich die Absenkung auf ein gesundheit­lich unbedenkli­ches Niveau“, sagt Resch.

DUH: Neun Monate zu spät

Jürgen Resch kritisiert an der Untersuchu­ng allerdings den Zeitpunkt der Veröffentl­ichung. „Neun Monate hat die Bundesregi­erung die Studie unter Verschluss gehalten und dem Umweltbund­esamt offensicht­lich untersagt, diese vor der Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig zu veröffentl­ichen“, erklärte Resch. Das UBA und das Bundesumwe­ltminister­ium weisen das auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“zurück.

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Barbara Hendricks
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Maria Krautzberg­er
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FOTOS: DPA Jürgen Resch

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