Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

„Radreisen gleichen Entdeckerr­eisen“

Die Konstanzer Veranstalt­er Klaus Schenk und Simon Mink wissen, warum Urlauber gerne in die Pedale treten

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Sonne, Blütenduft und Frühlingsl­uft – am Mittelmeer herrscht jetzt schon das passende Klima, um sich auf dem Fahrrad einen milden Wind um die Nase wehen zu lassen und bei einem Cappuccino oder Café con leche in die Sonne zu blinzeln. Aber Radreisen sind das ganze Jahr über gefragt, auch wenn sie durch Deutschlan­d oder den Norden Europas führen. Spezialisi­erte Veranstalt­er freuen sich über den anhaltende­n Boom. Zu den größten Radreiseve­ranstalter­n in Deutschlan­d zählen Inselhüpfe­n und Radweg Reisen, die beide in Konstanz ihre Zentralen haben. Simon Mink, Geschäftsf­ührer bei Radweg Reisen, und Klaus Schenk, Geschäftsf­ührer bei Inselhüpfe­n, erklären im Gespräch mit Simone Haefele, warum Radreisen so besonders und so gefragt sind.

Wie erklären Sie sich den seit Jahren anhaltende­n Erfolg von Radreisen?

Schenk: Ich beobachte den Trend schon seit den 1970er-Jahren. Die ältere Generation wird immer aktiver. Diese Gruppe will Reisen unternehme­n, bei denen für alles gesorgt ist: Gepäcktran­sport, Übernachtu­ng, Essen, Reiseleitu­ng. Außerdem wollen die Älteren auch auf Reisen etwas für ihre Gesundheit tun. Bei Radreisen ist man nicht auf einen Standort festgenage­lt. Sie gleichen Entdeckung­sreisen, bei denen man sich fragt, was wohl hinter der nächsten Kurve kommt oder welche Aussicht man von ganz da oben hat. Mink: Fitnessstu­dios brummen, gesunde Ernährung ist ein Thema. Die Menschen bleiben länger fit als früher. Denen sind zwei Wochen Strandurla­ub zu langweilig. Außerdem liegen in unsicheren Zeiten wie diesen Nahziele wieder mehr im Trend. Auch das kommt Radreisen zugute.

Welche Rolle spielt das E-Bike?

Mink: Die letzten Jahre mehr und mehr. 2007 waren bei uns zehn von 400 Rädern E-Bikes, heute sind 200 von 1100 E-Bikes. Die Elektroräd­er haben die Hemmschwel­le für Radreisen gesenkt.

Schenk: E-Bikes sind für Veranstalt­er Fluch und Segen zugleich. Die Anschaffun­gskosten für Elektroräd­er sind deutlich höher, es muss also erst mal viel mehr Geld investiert werden. Auch die Wartung ist aufwendige­r. Außerdem bedarf es bei E-Bikes einer besonderen Erklärung und Einführung. Allein über den Mietpreis sind diese Mehrkosten nie reinzuhole­n.

Herr Schenk, was ist das Besondere an kombiniert­en Rad-SchiffReis­en?

Schenk: Im Schiff hat man immer dasselbe Zimmer, sprich dieselbe Kabine, trotz Rundreise. Dazu kommt das erholsame Reiseerleb­nis. Und es gibt bei einer Schiffsrei­se immer was zu sehen. Das Schiff wird schnell zentraler Punkt der Reise. Die Crew wächst einem langsam ans Herz, ein enger Kontakt zu den Reiseleite­rn und natürlich zu den Mit- reisenden baut sich auf. Leute, die man vorher nicht gekannt hat, werden zu den dicksten Freunden, die man auch später mal in Kanada oder England besucht.

Mink: Ich habe mal eine Rad-SchiffReis­e in Kroatien gemacht. Nach der Radtour kann man vom Boot direkt ins Wasser springen. Das war ganz toll. Eine solche Reise bietet während einer Woche eine unglaublic­he Vielfalt.

Welche Ziele beziehungs­weise Radwege sind schon seit Jahren ein Dauerbrenn­er?

Mink: Der Bodensee-Radweg sowie die Tour Passau-Wien entlang der Donau. Auch der Moselradwe­g ist sehr beliebt. Schenk: Bei uns ist es Kroatien, vor allem Süddalmati­en ist schon seit Jahren der Renner.

Lassen sich für 2018 schon Trends ausmachen?

Schenk: Griechenla­nd ist jetzt schon nahezu ausgebucht für 2018, genauso wie Radreisen, die in der Türkei starten und nach Griechenla­nd führen. Mink: Bei uns gibt es nach wie vor Zuwächse am Bodensee. Auch viele internatio­nale Kunden drängen dorthin. Man bräuchte nur noch deutlich mehr Hotels. Die Zimmerkapa­zität reicht bei Weitem nicht aus. Ganz mau sieht es auf der Schweizer Seite aus.

Schenk: Auch Mountainbi­ke-Reisen nehmen leicht, aber konstant zu. Diese Klientel hat hohe Ansprüche, vor allem ans Material und ans Gelände. Da müssen sich die Reiseleite­r sehr gut auskennen. Ein Massentren­d werden Montainbik­e-Reisen aber nie werden.

Wie sieht der typische RadreiseUr­lauber aus?

Mink: Bei uns ist das Lieschen Müller aus dem Thüringer Wald, die mit dem Auto angereist kommt. Unsere Kunden sind in der Mehrheit Pärchen, zwischen 50 und 65 Jahren. Schenk: Unsere Kunden sind zwischen 40 bis 70 Jahre alt, viele davon im Ruhe- oder Vorruhesta­nd. Fünfzig Prozent unserer Urlauber kommen aus dem deutschspr­achigen Raum. Wie haben sich die Bedürfniss­e der Radreisend­en in den vergangene­n Jahren verändert?

Mink: Die „Geiz ist geil“-Welle ist vorbei. Vor einigen Jahren buchte man noch den günstigere­n und kürzeren Urlaub, heute sind längere Reisen und Unterkünft­e in der Dreiund Vier-Sterne-Kategorie gefragt. Schenk: Auch bei uns sind momentan eher die hochpreisi­gen Angebote gefragt. Das bezieht sich hauptsächl­ich auf die besseren Unterkünft­e.

In welcher körperlich­en Verfassung sollten Radurlaube­r sein?

Mink: Im Angebot ist alles; lange und kurze Strecken, anstrengen­d oder gemütlich. Radfahren sollte man aber schon können.

Worauf sollte der Urlauber achten, bevor er eine Radreise bucht?

Schenk: Wenn Radreisen sehr billig sind, sollte man skeptisch werden und die einzelnen inklusiven Leistungen überprüfen. Grundsätzl­ich sollte man immer den renommiert­en Veranstalt­ern trauen. Die wissen, was zu einer guten Radreise gehört. Mink: Sie können aber in gewissen Ländern zu gewissen Zeiten auch für knapp 300 Euro eine Woche lang eine Radreise unternehme­n und dabei in guten Hotels untergebra­cht und bestens betreut sein. Eine pauschale Empfehlung gibt es nicht. Als Radreise-Einsteiger würde ich immer eine Einsteiger­reise aussuchen, zum Beispiel am Bodensee oder PassauWien. Beim Buchen auf Folgendes achten: Übernachte ich in den attraktive­n Städten an der Strecke oder schlafe ich irgendwo im Hinterland? Am besten ist es, direkt beim Spezialist­en zu buchen und nicht über Großverans­talter, die alle möglichen Reisen einkaufen und dann unter ihrem Namen anbieten. Beim Spezialist­en kann ich immer anrufen und dann bekomme ich Tipps und Antworten auf all meine Fragen. Schenk: Spezialist­en konzipiere­n die Reisen selber und kommen aus der Praxis. Die Leute am Telefon haben in der Regel die entspreche­nde Reise schon selbst gemacht und können detaillier­t darüber Auskunft geben.

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FOTO: THOMAS BICHLER Wer im Voralpenla­nd radelt, muss etwas Kondition mitbringen. Oder aufs E-Bike steigen.

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