Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Glanz und Tragödie
Das Victoria & Albert Museum in London zeigt die Geschichte der Luxusliner – Besucher fühlen sich gleichsam wie an Bord
LONDON (dpa) - Im vibrierenden Maschinenraum, auf dem Vergnügungsdeck und im glitzernden Salon wird die Geschichte der Schiffe zu Zeiten von Krieg und Frieden erzählt: Von schmutzigen Frachtern über das Mittel zur Massenemigration nach Amerika, Truppentransport und Symbol internationaler Rivalität bis zu den „schwimmenden Palästen“der High Society. Tragödien wie der Untergang der „Titanic“(im jahr 1912) und die Kriegsversenkung der „Lusitania“(im Jahr 1915) werden mit anrührenden Exponaten dokumentiert. Die Ausstellung „Ocean Liners: Speed and Style“(Ozeanliner -Geschwindigkeit und Stil) wurde jetzt in London eröffnet und läuft bis zum 17. Juni.
Gesellschaftliche Bedeutung
Die mit rund 250 Objekten bestückte Schau bietet nach Angaben von Museumsdirektor Tristram Hunt erstmals Gelegenheit, „Design und gesellschaftliche Bedeutung“der Ozeanliner auf internationalem Niveau zu erforschen. „Als die größten Maschinen ihrer Zeit wurden sie zu mächtigen Symbolen von Fortschritt und Modernität des 20. Jahrhunderts.“
Die thematisch angeordnete und theatralisch präsentierte Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Peabody Essex Museum in Salem, Massachusetts, konzipiert. Sie zeigt riesige Schiffsmodelle, Mobiliar, kostbare Täfelungen, Bronzeplastiken, Gemälde, Mode, Poster und Filmausschnitte, die überwiegend aus den Beständen des V&A stammen.
Teile der „Titanic“
Erstmals in Europa ist das Fragment einer dekorativen Holztäfelung aus dem 1. Klasse-Salon der „Titanic“zu sehen, das 1912 über dem Wrack schwamm. Das anrührende Memento wird in einem Wasserbassin treibend als Endstück der Ausstellung präsentiert. Der mit Diamanten bestückte Cartier-Tiara einer kanadischen Millionärsgattin, die beim deutschen U-Boot-Angriff auf die „Lusitania“im Ersten Weltkrieg ihre beiden Töchter verlor, selbst aber überlebte, ist emotionales Kernstück der Schau.
Filmaufnahmen von Marlene Dietrich im Dior-Kostüm auf der „Queen Mary“im Jahr 1950 und Luxuskoffer, die Edward VIII nach seiner Abdankung 1936 bei Atlantiküberquerungen mit Wallis Simpson dabei hatte, sind ebenfals zu sehen. Damals sorgten Unternehmungen wie Decktennis, Tontaubenschießen und das Reiten auf Pferde-und Kamelmaschinen für Unterhaltung an Bord. Unter den Ausrüstungen stechen ein Bett aus Korbgeflecht sowie Speisekarten und Spezialmöbel aus den Spielzimmern der Kinder hervor.
Schiffe mit klangvollen Namen hatten zwischen den Jahren 1900 und 1914 rund elf Millionen Emigranten von Europa nach Amerika transportiert. Als die USA 1921 die Einreisebestimmungen verschärften, standen Reedereien vor der Herausforderung, die einst dreckigen Dampfer in Luxus-Transporter für die High Society des 20. Jahrhunderts zu verwandeln.
Technik und Design
Nationale Rivalitäten sowie Wettbewerb bei Bau, Technik und Design bestimmten das Bild. „Schiffe wurden zu Wahrzeichen der nationalen Identität“, erläuterte Kuratorin Ghislaine Wood.
Das deutsche Kaiserreich stand bei der Herausforderung der britischen maritimen Überlegenheit dabei an erster Stelle. Ein Gemälde aus dem deutschen Liner „Kronprinz Wilhelm“bezeugt den Anspruch auf Seehoheit. Gepriesen wird in der Ausstellung der Vorsprung deutscher Schiffe bei Technik und Design.
Es war allerdings ein französisches Schiff – die „Normandie“(1934) –, die in Design, Eleganz und Stil viele Jahre lang unübertroffen blieb. Damals wurden sogar Unterarmtaschen der legendären Schiffsform nachempfunden. Top-Modedesigner und Art-Deco-Größen halfen bei der Innengestaltung mit. Ebenso eindrucksvoll wird die schwungvolle Treppe in der Lobby der gegenwärtigen „Queen Mary 2“im Film dokumentiert.
Die Ära der „Schwimmenden Paläste“fand mit dem Zeitalter der Flugreisen in den 1960er-Jahren zunächst ein jähes Ende, heißt es in der Ausstellung weiter. Aber ihre Anziehungskraft und Inspiration setze sich dann mit den „Schwimmenden Städten“, wie sie in der modernen Kreuzfahrt üblich sind, fort.