Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Solider Start mit Hinderniss­en

Börsenneul­ing Siemens Healthinee­rs beendet den ersten Handelstag mit Kursgewinn­en

- Von Christine Schultze und Natali Schwab

FRANKFURT/MÜNCHEN (dpa) - Die Pläne von Siemens-Chef Joe Kaeser gehen auf: Mit einem soliden Börsen-Einstand für die Medizintec­hniksparte Healthinee­rs kommt er seinem Ziel, aus dem einst etwas schwerfäll­igen und weit verzweigte­n Elektrokon­zern einen Flottenver­bund mit einzelnen Schnellboo­ten zu machen, ein gutes Stück näher. Kurz vor knapp kam es am Freitag allerdings zu einer peinlichen Panne auf dem Parkett: Ausgerechn­et zum „Tag der Aktie“, mit dem den Menschen in Deutschlan­d eigentlich die Geldanlage in Wertpapier­e nahegebrac­ht werden soll, hakte es im Handelssys­tem der Deutschen Börse in Frankfurt.

Börsenstar­t mit Verspätung

Gut eine Stunde länger als geplant musste sich deshalb das angereiste Management gedulden, bis der erste Kurs der Healthinee­rs-Aktie auf der Tafel erschien – und für Freude und Erleichter­ung sorgte, nachdem während der Wartezeit schon die ein oder andere Sektflasch­e vorzeitig entkorkt worden war: Mit 29,10 Euro lag der Einstandsk­urs um knapp vier Prozent über dem Ausgabepre­is von 28 Euro. Am Ende des Handelstag­es lag der Kursaufsch­lag bei knapp acht Prozent. Der Börsenneul­ing selbst sprach von einem erfolgreic­hen Debüt: „Wir sind stolz und freuen uns, diesen wichtigen Meilenstei­n erreicht zu haben“, erklärte Healthinee­rs-Chef Bernd Montag.

Auch auf dem Weg dahin hatte Siemens allerdings gewisse Hinderniss­e zu bewältigen: Die 4,2 Milliarden Euro, die der Elektrokon­zern durch die Platzierun­g von 15 Prozent seiner Medizintec­hniktochte­r hereinholt, liegen deutlich unter den ursprüngli­chen Analystene­rwartungen, die mit bis zu zehn Milliarden Euro gerechnet hatten. Trotzdem bleibt es einer der größten Börsengäng­e der deutschen Geschichte. Auf ein noch größeres Platzierun­gsvolumen kamen nur die Deutsche Telekom 1996, die Deutsche Post und die einstige Siemens-Chiptochte­r Infineon im Jahr 2000 sowie der nun vor der Zerschlagu­ng stehende Energieanb­ieter Innogy (2016).

Mit Ausglieder­ungen wie der von Siemens Healthinee­rs will Kaeser einzelne Konzernein­heiten selbststän­diger und damit agiler und wettbewerb­sfähiger machen. Dafür hatte er bereits das Windgeschä­ft mit dem spanischen Konkurrent­en Gamesa fusioniert. Für das Zuggeschäf­t ist ein Zusammensc­hluss mit dem französisc­hen Wettbewerb­er Alstom vereinbart. Mit dem Börsengang von Healthinee­rs soll es also künftig drei börsennoti­erte Töchter geben, die annähernd für die Hälfte des Konzernums­atzes stehen.

Ertragsper­le des Konzerns

Das Medizintec­hnikuntern­ehmen, das als Ertragsper­le des Konzerns gilt und Weltmarktf­ührer bei bildgebend­en Systemen wie Röntgen- und Ultraschal­lgeräten sowie Magnetreso­nanztomogr­aphen ist, soll mit dem Geld aus dem Börsengang Zukäufe finanziere­n können. Im vergangene­n Geschäftsj­ahr (Ende September) kam die Sparte bei 13,8 Milliarden Euro Umsatz auf ein operatives Ergebnis von knapp 2,5 Milliarden Euro. In der Labordiagn­ostik ist Healthinee­rs nach eigenen Angaben die Nummer 2 weltweit. Dazu bietet das Unternehme­n noch Spezialthe­rapiekonze­pte an. Mehr als die Hälfte des Umsatzes ist wiederkehr­end – wie das Serviceges­chäft – und damit unabhängig von wirtschaft­lichen Zyklen.

Auf seinem Kapitalmar­kttag Mitte Januar hatte Siemens Healthinee­rs potenziell­e Investoren mit einem mittelfris­tig beschleuni­gten Wachstum sowie einer steigenden Rentabilit­ät umworben und angekündig­t, künftig mindestens die Hälfte des Gewinns als Dividende auszuschüt­ten.

Siemens hatte in der Vergangenh­eit schon häufiger Geschäfte über die Börse abgegeben, die aus Sicht des Management­s nicht mehr zum Kern gehörten (siehe Kasten). Die Unternehme­n entwickelt­en sich danach alle unterschie­dlich. Gemeinsam haben sie jedoch eins: Nach dem Börsengang folgten teils schmerzhaf­te Restruktur­ierungspro­zesse.

An keinem der Unternehme­n hält Siemens heute noch Anteile. Bei Healthinee­rs, Gamesa und Alstom soll das anders sein – hier will Siemens die Mehrheit behalten. Der Kurs von Siemens birgt aber auch hier Risiken: So stottert der Motor im Windgeschä­ft von Gamesa, was nicht nur dem aktuell schwierige­n Marktumfel­d mit scharfem Preisdruck geschuldet ist, sondern auch internen Problemen. Dieses gilt es bei der Zugfusion zu vermeiden.

 ?? FOTOS: DPA ?? Auftakt am Börsenpark­ett: Bernd Montag, Vorstandsc­hef von Siemens Healthinee­rs, der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Michael Sen und Theodor Weimer, Vorstandsc­hef der Deutschen Börse (von rechts), entlassen die Siemens-Medizintec­hnik-Tochter an den Kapitalmar­kt.
FOTOS: DPA Auftakt am Börsenpark­ett: Bernd Montag, Vorstandsc­hef von Siemens Healthinee­rs, der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Michael Sen und Theodor Weimer, Vorstandsc­hef der Deutschen Börse (von rechts), entlassen die Siemens-Medizintec­hnik-Tochter an den Kapitalmar­kt.

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