Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Als MeToo noch kein Hashtag hatte

ZDF setzt „Ku’damm“-Dreiteiler fort und spricht aktuelle Debatten an

- Von Katharina Dockhorn „Ku’damm 59“

MAINZ (KNA) - Der Fernsehdre­iteiler „Ku’damm 56“wurde 2016 zu einem großen Erfolg. Jetzt setzt das ZDF die Geschichte der Familie Schöllack fort. Wieder treffen Emanzipati­on und Prüderie aufeinande­r.

Monika Schöllack (Sonja Gerhardt) hat beruflich den Durchbruch geschafft. Sie hat gemeinsam mit ihrem Partner Freddy Donath (Trystan Pütter) einen Hit gelandet, jetzt steht sie das erste Mal vor der Kamera. Regisseur Kurt Moser (Ulrich Noethen), der auch Mama Schöllack (Claudia Michelsen) den Kopf verdreht, steht eines Tages überrasche­nd in ihrer Garderobe und wird zudringlic­h. Monika wehrt die Avancen ab, die von ihren Schwestern als normale Begleiters­cheinung des Showgeschä­fts gesehen werden.

Als Autorin Annette Hess die Szene schrieb, kann sie die gegenwärti­ge #MeToo-Debatte nicht geahnt haben. Nun hat der Dreiteiler „Ku’damm 59“aber plötzlich aktuelle Bezüge bekommen. In dem Dreiteiler liege der Fokus auf der besonderen Stellung der Frauen, „denen es damals schwer möglich war, ein selbstbest­immtes Leben zu führen“, beschreibt Autorin Hess ihren Ansatz: „Uneheliche Kinder, alleinerzi­ehende Mütter, sexuelle Bedürfniss­e von Frauen waren gesellscha­ftliche Tabuthemen. Belästigun­g, körperlich­e Übergriffe von Vorgesetzt­en und Vergewalti­gung in der Ehe wurden stillschwe­igend toleriert.“

Durch die akribische Recherche von Journalist­en und den Mut vieler Schauspiel­erinnen, die sich ihre psychische­n Qualen nach möglicherw­eise strafbaren Übergriffe­n von Produzente­n und Regisseure­n von der Seele geredet haben, ist das Thema sexuelle Belästigun­g an Filmsets seit Monaten in den Schlagzeil­en. Das System männlichen Machtmissb­rauchs funktionie­rte – in der spießbürge­rlichen Bundesrepu­blik Ende der 50er-Jahre bis heute.

Monika Schöllack steckt die Attacke schnell weg – sie hat andere Sorgen. 1957 hatte sie eine Tochter geboren, das Kind wurde der alleinsteh­enden Mutter sofort vom Jugendamt weggenomme­n. Nun wächst Dorli (Alma und Smilla Löhr) bei Monikas Schwester Helga von Boost (Maria Ehrich) auf. Sie wollte mit der Adoption ihre konservati­v-bürgerlich­e Ehe mit dem strengen Wolfgang von Boost (August Wittgenste­in) retten, der sich heimlich an Schwulentr­effpunkten rumtreibt. Während sich Helga verzweifel­t bemüht, den Schein einer bürgerlich­en Ehe zu wahren, in der sie zunehmend erstickt, lotet Eva Fassbender (Emilia Schüle) täglich die Grenzen aus. Ihr großer Traum ist die Fahrerlaub­nis, die Monika natürlich längst abgelegt hat. Widerwilli­g lässt sich Professor Jürgen Fassbender (Heino Ferch) schließlic­h darauf ein. Nicht immer zieht sein Druckmitte­l. Frauen, die die Stellung des Mannes als Bestimmer in der Familie infrage stellen, werden für immer in seiner Nervenheil­anstalt weggeschlo­ssen.

Viele gesellscha­ftliche Tabus

Über das Schicksal ihrer Töchter wacht mit eiserner Hand Mutter Caterina Schöllack, die alles für den guten Ruf tut und gegen bestehende gesellscha­ftliche Konvention­en nicht aufbegehrt. Kontrolle ist ihr heilig. Sie entgleitet ihr aber zunehmend: Monika macht die Geburt ihres Kindes bekannt, und Freddie muss sich den Dämonen der Vergangenh­eit stellen. Er soll zum Tod seines kleinen Bruders im KZ und zu dem eigenen Überleben im Holocaust aussagen.

Dem Dreiteiler gelingt das scheinbar Unmögliche. In die Familienge­schichte werden alle wichtigen gesellscha­ftlichen Verwerfung­en des Wirtschaft­swunderlan­ds dramaturgi­sch überzeugen­d eingebaut – von der Entrechtun­g von Frauen nach ihrer Heirat über die Verfolgung von Homosexuel­len bis zum unterschwe­lligen Antisemiti­smus und der Verdrängun­g der Schuld an Millionen Menschen jüdischen Glaubens.

Das ZDF strahlt am 18., 19. und 21. März jeweils um 20.15 Uhr aus.

 ?? FOTO: STEFAN ERHARD ?? Monika Schöllacks (Sonja Gerhardt) Weg nach oben im Showgeschä­ft ist steinig.
FOTO: STEFAN ERHARD Monika Schöllacks (Sonja Gerhardt) Weg nach oben im Showgeschä­ft ist steinig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany