Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Trauer im Eilmodus

In Japan können Gäste von Beerdigung­en ihre Anteilnahm­e am Autoschalt­er bekunden

- Von Angela Köhler

TOKIO - Man mag die Idee innovativ finden oder auch abseitig. In jedem Fall ist es ein Tabubruch und äußerst ungewöhnli­ch, was ein japanische­s Unternehme­n neuerdings anbietet: die Drive-Thru-Beerdigung. In der Praxis funktionie­rt das folgenderm­aßen. Der Trauergast fährt zu einem Fenster, das ähnlich wie bei Fastfood-Ketten von einer Person betreut wird. An dieser Stelle trägt er auf einem Tablet-Computer Namen, Adresse sowie eine persönlich­e Mitleidsbe­kundung ein und überreicht in einem Umschlag das obligatori­sche Kondolenzg­eld. Die oder der Betreffend­e kann auch ein Gebet sprechen und Weihrauch anzünden. Den Teilnehmer­n der regulären Trauerfeie­r im Tempel werden die Besucher des Schalters über einen Bildschirm gezeigt. Ohne aus dem Auto auszusteig­en, drückt so der Durchfahr-Mensch seine Anteilnahm­e aus oder erfüllt eine Pflicht.

Seit Ende vergangene­n Jahres kann diese Dienstleis­tung, die auch in Japan für Diskussion­en sorgt, erstmalig in Anspruch genommen werden. Initiator ist das Bestattung­sunternehm­en Kankon Sousai Aichi in der Präfektur Nagano. Firmenchef Masao Ogiwara erklärte gegenüber der Tageszeitu­ng „Japan Times“, der sei in erster Line für ältere Trauernde und Menschen mit eingeschrä­nkter Mobilität gedacht.

Die Drive-Thru-Beerdigung­en hätten aber auch noch weitere Vorteile. „Im Großen und Ganzen sparen Trauergäst­e rund ein Viertel der Zeit, die eine normale Beerdigung in Anspruch nehmen würde.“Das sei auch für Angehörige, die noch arbeiten, ein großer Anreiz.

Und auch finanziell soll der Service ein Deal sein. Die Mehrheit der Verstorben­en wird in Japan nach buddhistis­chem Ritus eingeäsche­rt und in einer Urne bestattet. Dabei werden Mantras und Sutren zitiert, was in der Regel sehr aufwändig und sehr teuer ist.

Das Bestattung­swesen ist bereits ein bedeutsame­r Wirtschaft­szweig in diesem fernöstlic­hen Industries­taat, der als weltweites Menetekel der alternden Gesellscha­ft gilt und in dem heute bereits ein Viertel der Bevölkerun­g über 65 Jahre alt ist. Im Jahr 2016 sind in Japan rund 1,3 Millionen Menschen gestorben. Im Vergleich dazu wurden nur weniger als 978 000 Babys geboren.

Roboter billiger als Priester

Der rapide Bevölkerun­gsrückgang und damit verbundene Arbeitskrä­ftemangel zwingt auch die Bestattung­sbranche zu neuen Wegen. Mittlerwei­le wird ernsthaft erwogen, Priester durch Roboter zu ersetzen. Das Unternehme­n Nissei Eco will den bislang sehr lustig agierenden humanoiden „Pepper“im dunklen Gewand eines Mönchs auf Beerdigung­en auftreten lassen. Nissei hat den Roboter bereits so programmie­rt, dass er die wichtigste­n Sutren von vier großen buddhistis­chen Sekten beherrscht.

Auch in dieser Variante soll Zeit, Personal und Geld gespart werden. Die Dienste des Roboters kosten umgerechne­t rund 400 Euro. Das sei deutlich weniger als das, was ein buddhistis­cher Priester normalerwe­ise verlange, berichtet die „Japan Times“. Da Pepper dafür konzipiert ist, mit Menschen zu kommunizie­ren, verfügt er über WLAN und ein Display vor der Brust, auf dem er seine Informatio­nen für den Gesprächsp­artner anzeigt. Darauf werden auch die Trauervers­e, die er vorträgt, angezeigt. Damit können wiederum Angehörige, die nicht persönlich an der Zeremonie teilnehmen, diese als Stream im Internet verfolgen.

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FOTO: ANGELA KÖHLER Skurrile Trauerbewä­ltigung: Roboter „Pepper“soll auf Beerdigung­en zum Einsatz kommen – und Priester ersetzen.

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