Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Linn hat das Zeug dazu
Fast blinde Langläuferin der Skizunft Römerstein kann es laut ihrer Trainer mal zu den Paralympics schaffen
RÖMERSTEIN - Verena Bentele, Anna Schaffelhuber, Andrea Eskau – Namen, die für deutsche Erfolge bei den paralymischen Spielen stehen. Noch bis Sonntag werden in Pyeongchang (Südkorea) die heiß begehrten paralympischen Medaillen vergeben. „Irgendwann“, sagt Linn Kazmaier von der Skizunft Römerstein, will sie auch mal dabei sein. Matthias Etzel, ihr Trainer, traut ihr das auf jeden Fall zu: „Wenn sie so weitermacht und dabei bleibt, dann schafft sie das.“
Dass die 11-Jährige, die in Lenningen wohnt und auf die dortige Realschule geht, auf einem Auge nur vier Prozent und auf dem anderen Auge nur zwei Prozent sieht, fällt beim Training auf dem „Römersteiner Gletscher“, wie ihn die eingefleischten Langläufer nennen, erst dann auf, wenn man es weiß. Zu erkennen ist Linn dann vor allem an ihrer Sonnenbrille, die ihre Augen vor der Sonneneinstrahlung schützen sollen. Denn bei Dämmerung und wenig Licht sieht sie mehr als bei grellem Sonnenschein.
Linn macht beim Training mit wie jede und jeder andere auch. Aber sie ist nicht wie jede und jeder andere. Und damit ist nicht ihre Sehschwäche gemeint. „Sie hat einen unglaublichen Ehrgeiz“; sagt Britta Holder, ebenfalls Trainerin bei der Skizunft Römerstein: „Sie steht immer wieder auf, ist immer gut gelaunt.“Und: „Sie vergleicht sich gerne mit Älteren.“Denn sie will besser und schneller werden.
Vor kurzem durfte Linn Kazmaier daher zum Beispiel – allerdings außer Konkurrenz – gegen ihr Vorbild Vivan Hösch antreten. Hösch, die am Sonntag ihren 27. Geburtstag feiert, gehört zu den insgesamt 24 Athleten, die in Pyeongchang ihren sportlichen Traum leben dürfen: eine Teilnahme an paralympischen Spielen. Im Biathlon lief Hösch bei den Paralympics auf Platz sieben. Beim Wettkampf mit Linn Kazmaier war sie zwar auch noch schneller als die 11Jährige. Aber nicht mehr viel. Und in naher Zukunft soll das wohl auch anders werden: in vier, fünf Jahren, schätzt Linn Kazmaier mit einem Lächeln auf den Lippen.
Doch wie läuft so ein Wettkampf und so ein Training ab, wenn das Sichtfeld so gut wie nicht vorhanden ist? Trainer und Betreuer sind wichtig – im Wettkampf und im Training. Sie müssen Linn erklären, was an ihren Bewegungen richtig oder falsch ist, was sie besser machen kann. „Wir nehmen sie dann zur Seite und schieben zum Beispiel ihre Hüfte in die richtige Position“, erklärt Etzel. Im Wettkampf läuft ein Betreuer nebenher. Ein Problem: „Meistens macht sie dann das, was ich mache“, sagt Holder. „Wenn ich mit Doppelstockeinsatz laufe, dann läuft sie auch so.“Heißt: Betreuer und Läufer müssen sich verstehen – blind verstehen, um beim entsprechenden Tempo, der entsprechenden Steigung den richtigen Laufstil zu wählen. „Nicht immer einfach“, sagt Holder: „Linn wird auch immer schneller.“
Unterstützung der Eltern
Von ihren Eltern bekommt Linn jegliche Unterstützung. Aber auch nur solange, wie es der Elfjährigen Spaß macht, erklärt Gabi Kazmaier: „Wir zwingen sie zu nichts. Sie muss das für niemanden machen.“Der Aufwand ist jedoch groß und wird mit zunehmender Leistungsstärke immer größer. Seit kurzem wird Linn einmal im Monat zum Olympiastützpunkt nach Freiburg gefahren. Die SZ Römerstein trainiert in der Hauptwinterzeit dreimal die Woche. Im Optimalfall hat sie einen eigenen Betreuer.
Sie habe zwar auch schon mal Ballett gemacht, erzählt sie: „Aber das war mir zu langweilig.“Aber auch das Langlaufen soll offenbar nur eine Zwischenstation sein. Biathlon ist das Ziel. Und „irgendwann“die Paralympics. Das Zeug dazu hätte sie.
vom Training der Skizunft Römerstein gibt es unter