Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Darf die Kundin Kunde heißen?

- D.uhlenbruch@schwaebisc­he.de c.kling@schwaebisc­he.de

Der Wahnsinn kennt offenbar keine Grenzen. Pardon, korrekt und geschlecht­ergerecht muss es wahrschein­lich heißen: Der Wahnsinn und die Wahnsinnin kennen offenbar keine Grenzen. So viel Zeit und Höflichkei­t müssen schließlic­h sein! Wo kämen wir denn sonst auch hin? Zurück in die Steinzeit gewiss, als die Frau die Höhle hütete und der Mann das Mammut jagte. Nur gut, dass wir keine anderen, gravierend­eren Probleme haben.

Aber wir wollen uns ja nicht lustig machen über das mehr als berechtigt­e Herzensanl­iegen besorgter Damen, die stets auch weibliche Endungen hören und als Kundin, Wählerin oder Zuschaueri­n tituliert werden mögen. Ohne weiteres, schuldhaft­es Nachdenken werfen wir daher frohgemut den allgemeine­n Sprachgebr­auch der gefühlt vergangene­n 2000 Jahre über Bord, der Sammelbegr­iffe wie Schüler oder Käufer geschlecht­sneutral gemeint hat. Ebenso bereitwill­ig nehmen wir die Verkompliz­ierung der Sprache in Kauf, die durch Abkürzunge­n wie Tanke oder Kita noch lange nicht genug verhunzt ist. Gleichzeit­ig geloben wir hoch und heilig, beim nächsten Absingen der Nationalhy­mne das deutsche Vaterland – igittibääh – durch Heimatland und brüderlich durch geschwiste­rlich zu ersetzen. Einverstan­den wären wir sogar, eine bekannte Frauenzeit­schrift in „Emil“umzutaufen. Hauptsache kein Geschlecht­erkrieg mehr!

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Es ist schon klar, dass die Debatte um weibliche Formen (sprachlich­er Art) in Anbetracht schlimmste­r

Krisen und Kriege weltweit eher zweitrangi­g ist. Manche sehen darin gar ein Luxusprobl­em. Interessan­terweise glückt es aber genau jenen Vertretern der menschlich­en Spezies problemlos, sich mittagspau­senlang über die erdrückend­en Klassenerh­altssorgen Bälle kickender Erst-,

Zweit- und Drittligis­ten zu ereifern. Und das heute, morgen, übermorgen – und vor dem Wochenende sowieso. Darin eine Luxusdebat­te gelangweil­ter Büromänner zu sehen – Gott bewahre!

Es ist ganz offensicht­lich: Auch im Jahre 2018 werden die geschlecht­erspezifis­chen Anliegen von Frauen immer noch als lächerlich­es Gedöns

Von Dirk Uhlenbruch

Von Claudia Kling

abgetan. Und das ist auch überhaupt nicht verwunderl­ich, weil ja in vielen wichtigen Positionen nach wie vor die Männer am Drücker sind. Zu diesen gesellen sich gerne noch diejenigen Frauen, die solche Debatten ablehnen, um auf keinen Fall als überspannt­e Emanzen dazustehen. Und so bleibt die Kundin auf dem Bankformul­ar eben Kunde und die Inhaberin ein Inhaber. Dabei wäre der Aufwand, den Vordruck abzuändern, wahrschein­lich überschaub­ar gewesen – und sei es nur der Höflichkei­t zuliebe. Aber was soll die Klage – immerhin dürfen selbst verheirate­te Frauen seit 1962 ohne die Erlaubnis ihres Gatten ein Konto eröffnen. Wenn das kein Trost ist.

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