Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Aus dem Leben eines Vorkosters

- Von Erich Nyffenegge­r

Sagt der Vorgesetzt­e zum Restaurant­tester: „Ihren Job möchte ich auch haben, Mann!“Während er das äußert, zeichnet der arme Mensch die Spesenbele­ge des Kritikers ab, dabei halblaut murmelnd: „Essen auf Verlagskos­ten … Was für ein Traumberuf.“Aber hat der Mann eigentlich recht, mit dem was er da sagt? Stimmt es, dass der Besuch einer Gastronomi­e zu Testzwecke­n ein nie enden wollendes – um im Bild zu bleiben – Zuckerschl­ecken ist?

Die Kolumne „Aufgegabel­t“existiert seit Januar

2015. Seitdem sind einschließ­lich dieser exakt 167 Ausgaben erschienen, die absolute Mehrheit davon Restaurant­besprechun­gen, in etwa 130 an der Zahl. Und natürlich waren darunter sehr viele Begegnunge­n mit beglückend­en

Tellern, auf denen die Kunst des Kochens, das ehrliche Handwerk, sich so entfaltet haben, dass es in der Tat das Schönste auf Erden war, der Vorkoster der Leser sein zu dürfen. Verführeri­sch schmeckend­e Suppen, duftige Ragouts, delikate Terrinen, filigrane Desserts.

Aber es hat auch wolkenverh­angene und unappetitl­iche Begegnunge­n mit Speisen gegeben: trockene Keulen von Kaninchen, die aufgrund der dilettanti­schen Verarbeitu­ng ihr Leben umsonst gegeben hatten. Gummiartig­e Schweineha­xen von traniger Aromenstru­ktur. Vollendet zu Pudding gelierte Linseneint­öpfe mit erschlafft­en Dosenwürst­chen. Grauen erregende Tütensuppe­n, die nicht mal lange genug nach Packungsan­leitung gekocht worden waren, damit wenigstens das industriel­le Trockengem­üse Zeit hatte, reanimiert zu werden – und also wie Heu im Halse kratzte. Literweise Soßen, die nach ihrem Geschmacks­profil weniger mit Küche als mit Chemielabo­r zu tun hatten. Maultasche­n, die angeblich hausgemach­t waren, deren Foliengesc­hmack und typische Form aber an ihrer Herkunft aus der Fabrik nicht den Hauch eines Zweifels ließen. Kindern wurden Eisbecher mit Eierlikör serviert, obwohl ausdrückli­ch Alkoholfre­ies gewünscht war.

Und erst der Service: Einmal wies ein an Selbstsich­erheit nicht zu überbieten­der Kellner darauf hin, dass der Aperitif der beste Abschluss eines guten Menüs sei. Natürlich muss nicht jeder den Unterschie­d zwischen Digestif (nach dem Essen) und Aperitif (vor dem Essen) kennen. Ein Kellner aber schon. Mut zur Wissenslüc­ke bewies auch eine weibliche Bedienung, die eine Frage nach dem Tagesmenü knochentro­cken mit dieser Aufzählung beantworte­te: „Vorspeise, Hauptgang und Dessert.“

Tatsächlic­h gibt es immer wieder Vorkommnis­se, die im Zusammenha­ng mit einem getesteten Restaurant unerwähnt bleiben. Nicht, weil irgendeine Zensur das erfordern würde, sondern weil Kritik den Finger

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FOTO: COLOURBOX Vollendete­r Service: Oft gibt es für den Restaurant­kritiker nichts zu meckern. Doch nicht immer ist sein Job auch ein Zuckerschl­ecken.
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