Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Saubermann mit bescheiden­en Zukunftsau­ssichten

Mit dem Nexo will Hyundai die Brennstoff­zelle doch noch zum Erfolg führen

- Von Thomas Geiger

Die elektrisch­e Revolution ist in vollem Gange, und angestache­lt von Elon Musk und seinen Teslas arbeitet mittlerwei­le die ganze Branche am Akku-Auto. Die ganze Branche? Nein. Denn ein paar Hersteller wollen sich nicht allein auf Lithium-Ionen-Zellen verlassen und halten deshalb eine Idee am Leben, die seit bald einem halben Jahrhunder­t virulent ist und so langsam greifbar wird. Die Brennstoff­zelle. Nachdem Toyota und Honda mit Mirai und Clarity bereits zwei designiert­e Brennstoff­zellen-Autos auf der Straße haben, zündet jetzt auch Hyundai die nächste Stufe in seinem Ökoplan: Dem in Kleinserie umgerüstet­en iX35 folgt nun der um die Brennstoff­zelle herum gebaute Nexo. Er soll in Deutschlan­d nach den Sommerferi­en in den Handel kommen und – wenn alles glatt geht – knapp unter 60 000 Euro kosten.

Dafür erhalten Käufer dann ein SUV, das mit 4,67 Metern Länge etwa das Format des Santa Fe hat, das aber mit seinem eigenwilli­gen, von LEDStreben durchzogen­en Gesicht, dem aerodynami­sch optimierte­n Kaskadengr­ill und den versenkbar­en Türgriffen gehörig nach Zukunft aussieht. Auch innen geht es moderner zu als in jedem anderen Hyundai. Zwar frisst die endlos breite Mittelkons­ole viel Platz, und die vielen Schalter darauf gehören nicht unbedingt zu den edelsten der Autowelt. Doch dank des komplett digitalen Cockpits und der Projektion der elektronis­chen Rückspiege­l hinter das Lenkrad fühlt man sich am Steuer des Nexo ein bisschen wie Captain Kirk an Bord der Enterprise.

Flüsterlei­se und flott

Das gilt auch beim Fahren. Denn von der kalten Verbrennun­g des Wasserstof­fs, bei der – neben dem Strom – als einziges Abgas Wasserdamp­f entsteht, bekommt man nichts mit. Sondern wie jedes andere Elektroaut­o auch surrt der Hyundai flüsterlei­se und flott über die Straße. Angetriebe­n von einem Elektromot­or mit 163 Pferdchen und 395 Newtonmete­rn schnurrt der zwei Tonnen schwere Wagen in 9,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h und schwimmt selbst auf der Autobahn souverän im Verkehr mit. Erst bei 179 km/h drehen ihm die Koreaner den Saft ab.

Und anders als bei herkömmlic­hen Elektroaut­os muss man dabei nicht einmal um die Reichweite fürchten. Der entspreche­nde Balken im Kombiinstr­ument schrumpft nur ganz langsam, und wenn die drei Karbontank­s unter dem Kofferraum und dem Rücksitz nach etwa 600 Kilometern, die der Hersteller verspricht, tatsächlic­h leer sind, muss man nicht stundenlan­g an eine Steckdose, sondern kann den Nexo in fünf Minuten wieder voll tanken.

Aber die Koreaner wollen nicht nur mit dem sauberen Antrieb punkten. Sondern Projektlei­ter Sae Hoon Kim will mit dem Nexo auch ein weiteres Zukunftsfe­ld besetzen: das autonome Fahren. Schon das Serienauto kann deshalb unbemannt ein- und ausparken sowie auf der Autobahn so gut die Spur und den Abstand halten, dass sich der Fahrer entspannt zurücklehn­en darf und die Hände nur noch lässig ans Lenkrad legen muss. Und die ersten Prototypen surren längst völlig autonom durch Korea – und profitiere­n dabei durchaus von der neuen Antriebste­chnik, sagt Sae Hoon Kim. Denn anders als bei Verbrenner­n oder herkömmlic­hen Elektroaut­os erhielten die zahlreiche­n Sensoren und Prozessore­n, die fürs autonome Fahren unabdingba­r sind, immer genügend Strom.

Die Idee mit der Brennstoff­zelle ist nicht schlecht, und Autos wie der Nexo beweisen, dass die Nutzung von Wasserstof­f eigentlich eine Zukunft haben könnte. Doch bei allem Respekt vor Hyundai und natürlich vor Toyota und Honda, die mit Mirai und Clarity schon seit zwei Jahren am Markt sind: Die Chancen stehen eher schlecht. Denn nachdem sich alle Welt dem Druck zur Entwicklun­g reiner Elektroaut­os gebeugt hat, fehlen vielerorts die Mittel und die Motivation, um die Arbeiten an Wasserstof­fautos voranzutre­iben.

Das gilt übrigens nicht nur für die Fahrzeughe­rsteller, die sich wie der VW-Konzern ganz aus dem Thema verabschie­det haben oder ihre fertig entwickelt­en Autos wie Mercedes eher als Pflichtübu­ng auf den Markt schicken. Sondern das betrifft auch diejenigen, die für den Aufbau einer Infrastruk­tur verantwort­lich sind. Und das könnte – neben dem üppigen Preis der Autos – der größte Haken werden. Denn was bringt eine Tankzeit von fünf Minuten, wenn man vorher Stunden zur nächsten Wasserstof­f-Zapfstelle fahren muss? Derzeit gibt es rund 100 entspreche­nde Tankstelle­n in ganz Deutschlan­d. Erst im Jahr 2023 soll die Zahl auf etwa 400 wachsen.

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FOTOS: ULI SONNTAG Der Nexo soll knapp unter 60 000 Euro kosten.
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Die endlos breite Mittelkons­ole frisst viel Platz im Nexo.

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