Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
BORGWARD KEHRT ZURUCK
Der traditionsreiche Autobauer Borgward will vom Reich der Mitte aus Europa erobern
Über China wagt die Traditionsmarke ein Comeback in Deutschland
PEKING - Der Markteintritt von Borgward in China im Juli 2016 glich einem Blitzstart. Innerhalb von sechs Monaten verkaufte das Unternehmen über 30 000 Exemplare des kompakten Sportgeländewagens BX7. Der Bekanntheitsgrad der Marke – 2016 noch bei null – stieg bis Ende 2017 auf 33 Prozent. Jeder dritte Befragte in China kennt laut Borgward heute die Marke.
Es ist eine Marke, die ihre Blütezeit in den 1950er-Jahren erlebte. Damals war das Unternehmen aus Bremen mit einer Fülle an Modellen zu einem der größten deutschen Autobauer aufgestiegen – vor allem dank der populären Isabella-Baureihe. Heute arbeitet der Enkel des einstigen Firmengründers Carl F.W. Borgward, Christian Borgward, an ihrem Wiederaufstieg. Und zwar in China, mit einem chinesischen Eigner – dem Pekinger Lastwagenbauer Foton. Von einer hochautomatisierten Fabrik im Pekinger Vorort Miyun aus will Borgward erst China und dann die Weltmärkte aufrollen.
Anfangseuphorie ausgebremst
Ob das gelingt, ist noch nicht ausgemacht. Denn nach dem guten Start geriet der Absatz 2017 ins Stocken. Im gesamten Jahr 2017 verkaufte Borgward nur 43 000 BX7 und kleinere BX5, die seit April 2017 zu haben sind. Mit Prognosen für 2018 ist Borgward daher vorsichtig. Ziel sei es, die Zahl der Borgward-Autos auf der Straße in diesem Jahr zu verdoppeln, so Philipp Deng, der für die EU zuständige Marketingdirektor. Ziel waren einmal 100 000 verkaufte Autos im Jahr gewesen.
Den Borgward-Managern ist klar, dass ihr Unterfangen mit Skepsis beobachtet wird. „Natürlich ist es eine Herausforderung“, sagt BorgwardChef Ulrich Walker in Peking. Gut sei gewesen, von Anfang an auf Sportgeländewagen (SUV) zu setzen. Denn die sind äußert populär in China; kein Segment wächst so stark wie die SUV: 2017 lag das Plus bei 13 Prozent – gegenüber 1,4 Prozent für den Pkw-Gesamtmarkt. In den von Borgward bedienten Segmenten gebe es genug Platz für neue Mitspieler, begründet Tom Anliker, Vertriebschef für alle Märkte außerhalb Chinas, den Optimismus.
Die erste Ausbauphase im Werk in Miyun wurde gerade abgeschlossen. Die Kapazität liegt nun bei 180 000 Autos im Jahr – und damit deutlich über den aktuellen Absatzzahlen in China. Die zweite Ausbauphase läuft; Platz wäre für 360 000 Autos im Jahr. Für dieses Jahr sind der zuvor verschobene Markteintritt in Deutschland, sowie Verkaufsstarts im Mittleren Osten und Südamerika angesetzt. Die Autos für diese Märkte laufen in Miyun vom Band. Um das hohe Wachstumstempo halten und finanzieren zu können, suche Foton einen zusätzlichen Investor, berichtet Anliker.
Foton ist eine Tochter des staatlichen Pekinger Autobauers Beijing Automotive (BAIC). Das Unternehmen produziert im Hauptgeschäft Lastwagen unter Eigenmarke, sowie in einem Joint Venture mit Daimler Lkw der Marke Auman. Schon vor dem Beginn der Kooperation mit Borgward habe Foton eine Lizenz zur Produkion von Sportgeländewagen und Interesse an einer internationalen Partnerschaft gehabt, erzählt Borgward-Chef Ulrich Walker.
Anliker sieht Borgward als deutsch-chinesisches Unternehmen. Das Management ist international, die Autos entsprechen internationalem Standard. In China betont Borgward aber stets die deutsche Historie – denn „Made in Germany“hat einen enorm guten Ruf.
Das Jahr der Rückkehr
2018 werde das Jahr der Rückkehr nach Deutschland, verspricht Walker. Es gehe dabei nicht um große Absatzzahlen. „Aber wir wollen zeigen, dass wir auch auf dem deutschen Markt akzeptiert werden.“Das sei wichtig, auch für China.
Verhandlungen mit der Autovermietung Sixt über den zunächst für Ende 2017 anvisierten Verkauf von rund 1000 Modellen einer limitierten Sportversion des BX7 sind laut Anliker „auf der Zielgeraden“. Auch soll ein sogenanntes „Brand Center“in Stuttgart eröffnen. Verhandelt wird zudem mit A.T.U. über Werkstattdienste.
Derweil verzögert sich der Startschuss für die geplante Fabrik in Bremen. Dies liege an dem komplizierten Genehmigungsverfahren für Auslandsinvestitionen chinesischer Firmen, erklärt Walker. Peking hatte für Kapitalflüsse ins Ausland kürzlich strenge Regeln erlassen. Ab 2019 sollen in Bremen 50 000 Fahrzeuge pro Jahr montiert werden.
Das Werk wird allerdings nicht am ursprünglichen Borgward-Standort im Stadtteil Sebaldsbrück stehen. Dort laufen heute Daimler-Modelle vom Band. 1961 war Borgward unter bis heute undurchsichtigen Umständen für bankrott erklärt worden – und konnte doch kurz danach alle Schulden abzahlen. Für den Neustart gründete Christian Borgward mit einem Partner 2008 die Borgward Group AG, die ihren Sitz in Stuttgart hat. Auf der Suche nach Investoren kam er 2014 mit Foton zusammen.
Den momentan zwei BorgwardModellen soll im Sommer die Elektroversion des BX7 (BXi7) folgen. Er druchläuft gerade Straßentests in China – mit schwarz-weißer Folie verklebt. In Bremen sollen laut Anliker vor allem Elektro- und Hybridfahrzeuge vom Band laufen. Dazu wollen die Borgward-Manager die Isabella wiederbeleben – als elektrisches Coupe mit neuester Hightech: Befehle soll das Auto über eine berührungsempfindliche Mittelkonsole und dreidimensionale Hologrammanzeigen annehmen.
Vorerst ist die Isabella nur ein Konzept. Dafür sind die ersten Borgward-Benziner inzwischen in Deutschland: Ein gutes Dutzend Modelle des BX7 TS erreichten mit dem Zug über Sibirien Ende Februar Hamburg. Ob der Marktstart hier gelingt, wird sich also bald zeigen.