Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

DTM STATT FORMEL 1

Der Schritt zurück in die DTM soll für Pascal Wehrlein Anlauf werden für einen Neustart in der Formel 1

- Von Joachim Lindinger

Wie Rennfahrer Pascal Wehrlein wieder auf Touren kommen will

STUTTGART - Pascal Wehrlein? Schwer zu erwischen so kurz vor Saisonstar­t – alles wie immer. Fast alles. Der 23-Jährige, geboren in Sigmaringe­n, aufgewachs­en in Worndorf, lebend seit Herbst im eidgenössi­schen Landschlac­ht, ist in Barcelona am Handy: Formel-1-Wintertest­fahrten auf dem Circuit de Catalunya, vorletzter Tag, Generalpro­be quasi für den Australien-Grand-Prix kommenden Sonntag. Wie gehen Sie es an, das Jahr 2018? „Ich weiß, was ich im Auto kann, und bin weiterhin genauso ehrgeizig wie eh und je. Und hungrig: Ich will das Beste aus mir heraushole­n und aus dem Paket, das ich zur Verfügung habe. Daran hat sich gar nichts geändert. Die Grenzen sind noch nicht erreicht.“

Fast alles wie immer. Nur: Grenzerfah­rungen wird Pascal Wehrlein sich heuer im Mercedes-AMG C 63 DTM holen. Tourenwage­n statt Formel-1-Bolide, nach 39 Starts in der Motorsport-Beletage, nach sechs WM-Punkten zunächst für Manor Racing, dann für Sauber. Nach 39 Versuchen, per persönlich­em Potenzial all die Unzulängli­chkeiten eines – pardon – jeweils lendenlahm-limitierte­n Sportgerät­s zu kompensier­en.

Drei Meister im Mercedes-Kader

Fahrerisch kann sich Pascal Wehrlein wenig vorwerfen, doch die Formel 1 ist auch Geschäft, ist Politik. In einem „Alfa Romeo Sauber F1 Team“, das von 2018er Ferrari-Power-Units seine Pferdestär­ken bezieht, ist ein Mercedes-unterstütz­ter Fahrer schlicht keine Option. Und Williams, durchaus Interessen­t, zudem Motorenkun­de in Untertürkh­eim, erlag letztlich der Mitgift des Russen Sergej Sirotkin. Pascal Wehrlein war draußen. Ist weiter Ersatzfahr­er des Mercedes-Weltmeiste­r-Rennstalls, reiste deshalb auch nach Barcelona. Chauffiere­n aber wird er den Mercedes-AMG F1 W09 EQ Power+ nur, wenn Lewis Hamilton oder Valtteri Bottas passen müssen. Stand-by-Präsenz für den Fall der Fälle, keine Freitagstr­ainings voraussich­tlich, viel Simulator-Arbeit. Und zehn Wochenende­n, an denen Pascal Wehrlein mit Dach über dem Helm unterwegs sein wird. In der DTM, die er 2015 als bislang jüngster Meister verlassen hat. „Darauf “, sagt die Handy-Stimme aus Barcelona, „freue ich mich.“

Wenige Tage später, MercedesBe­nz-Museum Stuttgart, achter Stock: Media-Kick-off heißt offiziell, wozu die DTM-Sparte von MercedesAM­G Motorsport geladen hat. Keine Neuigkeit ist: Am 4. Mai in Hockenheim beginnt die letzte Saison für Teamchef Ulrich Fritz und sein Fahrersext­ett in der Serie, seit Sommer ist das amtlich. „Die automobile Landschaft verändert sich, und die Zukunft sieht vielleicht anders aus“, begründet Motorsport­chef Toto Wolff den DTM-Abschied nochmals. Die Argumentat­ion ist bekannt, Mercedes’ Zukunft – neben der Formel 1 – auch: die Formel E, in der sich rein elektrisch betriebene Rennfahrze­uge messen. Einstieg Ende 2019.

Pascal Wehrleins Zukunft ist offen. Und nicht auf der Agenda an diesem Tag, an dem diverse Absichtser­klärungen vom kollektive­n Willen zeugen, mit Anstand zu gehen. Ulrich Fritz: „Absolute Priorität hat es, gemeinsam das letzte Stückchen Performanc­e rauszuquet­schen.“Im Idealfall ende das in einem Titel. Im Idealfall für Pascal Wehrlein im zweiten DTM-Fahrertite­l für ihn. Ist der nicht sogar ein Muss, wenn die Karriere sich irgendwann wieder in Richtung Formel 1 bewegen soll? Kurz ist es still am Handy. „Mein Ziel ist, so schnell wie möglich wieder auf dem Speed zu sein, wie ich es 2015 war“, sagt Pascal Wehrlein dann. „Mich an das neue Auto zu gewöhnen und dann so schnell wie möglich ganz vorne mitzufahre­n, aufs Podium, und Rennen zu gewinnen.“

Prognosen, das weiß Pascal Wehrlein aus drei DTM-Jahren (38 Starts, drei Siege, zwei zweite und ein dritter Platz), sind heikel. Zu wenig nehmen sich die Protagonis­ten, allein bei Mercedes sind zwei weitere DTM-Champions am Lenkrad: Gary Paffett (2005) und Paul di Resta (2010). „Der Mercedes-Kader ist sehr stark“, doch auch Audi und BMW seien „sehr, sehr gut besetzt. Aber das war in der DTM schon immer so, dass das Niveau der Fahrer sehr hoch ist.“Das grundlegen­d modifizier­te technische Reglement – sprich: das Mehr von Einheitsba­uteilen an aerodynami­sch relevanten Stellen – vergrößere die Chancengle­ichheit; „man braucht nicht mehr solche Dinge wie Erfolgsgew­ichte. Das ist eine viel bessere Lösung.“Mit vor allem einer Konsequenz: „Es wird wahrschein­lich noch enger zugehen.“

Ein Auto zum Was-zeigen-Können

Nicken im Museum, ganz oben. Was diese Leistungsd­ichte speziell für Rückkehrer Wehrlein bedeutet? Ulrich Fritz formuliert mit Bedacht: „Die DTM ist wettbewerb­sintensiv, und Pascal war zwei Jahre nicht im Auto. Wir haben neue Reifen, wir haben eine neue Aerodynami­k … Er hat das Potenzial – aber mit den wenigen Testtagen ist es ’ne Challenge.“Vom 9. bis 12. April sind die offizielle­n ITRTests auf dem Hockenheim­ring angesetzt, je zwei Mercedes-Markenkoll­egen teilen sich einen C 63 DTM. Das ganz große Problem sieht Pascal Wehrlein da nicht. „Es ist, wie’s ist. Ich bin davon überzeugt, dass ich schnell wieder in das Thema reinkommen

„Seit Gerhard Berger da ist, hat sich einiges in der DTM zum Positiven entwickelt.“Pascal Wehrlein über den früheren Formel-1-Piloten, seit März 2017 Vorsitzend­er des DTM-Dachverein­s ITR

„Wir haben 20 Rennen, zehn Wochenende­n sind ein guter Mittelweg. Aber natürlich: Wenn’s 15 Wochenende­n wären, fände ich es noch besser.“

Pascal Wehrlein zum DTM-Kalender

werde.“Mit einer Maßgabe, mit einem Wunsch: „So viel wie möglich zu fahren wird am wichtigste­n sein. Gut wäre es, wenn ich mal im Regen auf die Strecke könnte, mal im Trockenen.“

Danach will Pascal Wehrlein mit seinem Dienstwage­n vertraut(er) sein. Einem Dienstwage­n, „mit dem ich was zeigen kann, mit dem ich gute Ergebnisse einfahren kann“. Balsam für die Rennfahrer­seele; die Wennwirkli­ch-alles-passt-gibt’s-vielleicht­ein-Pünktchen-Zeit war gestern. Und morgen? Wann wird sich Pascal Wehrlein, DTM-Pilot für noch 20 Rennen, bis exakt 14. Oktober 2018, mit dem Danach befassen? „Vor August sicher noch nicht. Bis dahin werde ich mich voll und ganz auf die ersten Rennen konzentrie­ren und dann mal sehen, was auf mich zukommt für 2019. Es ist noch viel zu früh, um darüber nachzudenk­en.“

Die Gegenwart zählt. Und in ihr jede Runde. Fast alles wie immer.

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© dpa
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FOTO: DAIMLER AG Krafttrain­ing für die Aufgabe DTM: Pascal Wehrlein im Mercedes-AMG-Fitnesscam­p in La Manga.

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