Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
VON HANNOVER NACH RAVENSBURG
Ute Stuffer, die neue Leiterin in Ravensburg, zu ihren Ausstellungsplänen und Ideen
Was die neue Leiterin mit dem Kunstmuseum vorhat
- Das städtische Kunstmuseum Ravensburg hat seit Anfang März eine neue Chefin: Ute Stuffer. Die 42-jährige Kunstwissenschaftlerin, die bislang den Kunstverein Hannover geleitet hat, erzählt im Gespräch mit Antje Merke, wie sie dem Haus in Ravensburg ihren Stempel aufdrücken will, welche Ideen und Pläne sie hat.
Bitte vervollständigen Sie den Satz: Die Sammlung Selinka ist für mich … ... eine großartige Basis für die Museumsarbeit hier in Ravensburg. Für mich persönlich ist die Sammlung eine Inspirationsquelle. Dabei können ebenso einzelne Werkkomplexe Anlass für eine umfassende Schau sein, wie auch übergreifende Themen oder künstlerische Herangehensweisen, in denen sich der Geist der Sammlung Selinka spiegelt.
Welche Ideen haben Sie, die Kollektion, deren Schwerpunkt auf den Expressionisten liegt, künftig zu präsentieren?
Innerhalb von kleinen konzentrierten und großen thematischen oder monografischen Ausstellungen. Aktuell schaue ich, wo sind die Lücken, wo sind interessante künstlerische Positionen, die man hervorheben sollte. Und das trifft nicht nur die Expressionisten, sondern auch die Künstler der Gruppen Cobra und Spur, die ja auch in der Sammlung Selinka vertreten sind. Zudem interessiert mich, welche Fragestellungen von Künstlern aus der Sammlung heute für zeitgenössische Künstler von Bedeutung und Interesse sind.
Kennen Sie die hauseigene Sammlung schon?
Ja. Ich hatte bereits im Dezember vergangenen Jahres das Vergnügen, dass Frau Selinka selbst mit mir ins Depot gegangen ist und die Sammlung vorgestellt hat.
Wie wollen Sie dem Kunstmuseum Ihren Stempel aufdrücken und sich von Ihrer Vorgängerin, Nicole Fritz, abheben?
Ich habe natürlich das Glück auf bereits getaner Arbeit aufzubauen. Frau Fritz hat das Museum nicht nur regional, sondern auch national verankert. Und diese Arbeit will ich auf verschiedenen Ebenen fortführen. Genauso wie die Vermittlungsarbeit, die hier bereits gut aufgestellt ist. Dennoch wünsche ich mir zum Beispiel, dass es gelingt eine Vermittlungsstelle im Team zu integrieren, um noch weitere Zielgruppen direkt ansprechen zu können und die Begegnung mit Kunst in verschiedenen Lebenslagen zu fördern.
Frau Fritz hatte auch lokale Künstler, die überregional erfolgreich sind, vorgestellt. Werden Sie diese Arbeit fortsetzen?
Ich komme ja aus einem Kunstverein, wo es üblich ist, das regionale Geschehen immer wieder in das Ausstellungsprogramm mit einzubeziehen. Auf welcher Ebene das dann stattfindet – ob in Form von Gruppen- oder Einzelausstellungen – wird man sehen.
Wann werden Sie Ihre erste eigene Ausstellung im Kunstmuseum umsetzen können?
Im Oktober. Es soll eine monografische Präsentation werden, aber mehr will ich noch nicht verraten. Jetzt im Frühjahr werden erst einmal Arbeiten des Ravensburger Künstlers Hermann Waibel gezeigt. Parallel dazu wird im Erdgeschoss eine neue Reihe unter dem Titel „Projektionen“ starten. Hier werden verschiedene Künstler vorstellt, die sich mit dem Medium Film beschäftigen. Dieses Format soll dann auch künftig immer wieder mal auftauchen – diesmal geht es um Erinnerung und Identität. Den Anfang übernimmt die amerikanische Künstlerin Kerry Tribe, die Mitte 40 ist, es folgt eine Arbeit von Jonas Mekas, der mit seinen 96 Jahren zu den bedeutendsten Experimentalfilmern gehört.
Stichwort „Kunst im öffentlichen Raum“und „Museumsbesucher“– wie wollen Sie die Menschen für ihre Ausstellungen begeistern?
Natürlich gibt es die Möglichkeit, im öffentlichen Raum die erste Aufmerksamkeit auf das Kunstmuseum zu lenken. Zum Beispiel, indem man die Menschen schon am Bahnhof mit einem Werk neugierig auf mehr macht. Vermittlung spielt auch hier eine große Rolle. Da habe ich viele Ideen, auch in Zusammenarbeit mit Medien-/Kunsthochschulen.
Zeitgenössische Kunst oder Klassische Moderne? Wo werden Sie in Ravensburg die Schwerpunkte setzen? Wofür schlägt Ihr Herz?
Für beides. Ich komme ja aus der zeitgenössischen Kunst, insofern ist das eine Herzensangelegenheit für mich. Aber ich wäre nicht hier, wenn ich mich als Kunstwissenschaftlerin nicht auch für die Klassische Moderne interessieren würde. Und besonders reizt es mich, wenn beides aufeinandertrifft und in einen fruchtbaren Dialog tritt. Letztlich geht es darum, immer wieder Neues zu entdecken. Das Kunstmuseum ist für mich ein Ort des Austauschs, ein Ort, der Denkanstöße gibt.
Apropos Hannover. Welche Ausstellungen haben Sie dort im vergangenen Jahr organisiert? Zum Beispiel habe ich den Niederländer Erik van Lieshout gezeigt. Ein Künstler, der stark filmisch und installativ arbeitet, dabei sehr humorvoll ist und doch schonungslos den Finger in die Wunden der Gesellschaft legt. Davor habe ich mit der Sound-Künstlerin Susan Philipsz eine Einzelausstellung ausgerichtet oder wir haben gemeinsam mit den Kollegen von der Kestner Gesellschaft und dem Sprengel Museum die institutionsübergreifende Gruppenausstellung „Made in Germany“realisiert.
Sie wechseln von einem Kunstverein an ein Kunstmuseum. Was bedeutet dieser Wechsel? Wie verändert sich Ihre Arbeit?
Im Kunstverein ist es sicherlich ein außergewöhnlich freies Arbeiten, zum Beispiel was Vorplanung oder Bestimmungen betrifft. Ein Kunstmuseum ist strukturell da ganz anders aufgestellt. In jedem Fall bedarf es mehr Vorlaufzeit für eine Ausstellung, vor allem wenn viele Leihgaben integriert sind.
Als Museumsleiterin muss man gut vernetzt sein. Haben Sie bereits Kontakte zu Kollegen im Raum Bodensee/Oberschwaben?
Ich kenne einzelne Kollegen in der Region – beispielsweise vom Kunsthaus Bregenz, Kunstmuseum St. Gallen oder Lichtenstein. Mit vielen anderen Museumsleitern hatte ich bislang nur per Mail Kontakt und freue mich nun auf die direkten Begegnungen. Zugleich plane ich auch eine Vortragsreihe zu aktuellen Kulturthemen, die „Zu Gast“heißen wird. Und da wird sicher auch der eine oder andere Kollege aus der Umgebung dazu eingeladen werden.