Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Klangerlebnisse, die bleiben
Das Württembergische Kammerorchester präsentiert im Ulmer Kornhaus Debussy und Gustav Mahler
ULM - Bearbeitungen sind furchtbar! Nein: Bearbeitungen sind wunderschön! Zwischen diesen beiden extremen Urteilen, mit allen nur denkbaren Zwischentönen, bewegte sich der Abend des Württembergischen Kammerorchesters (WKO), bei dem auf die Kammerorchesterfassung von Claude Debussys (einzigem) Streichquartett Gustav Mahlers groß gefasstes „Lied von der Erde“folgte.
Dieses Monumentalwerk, im Original für großes Sinfonieorchester bestimmt, präsentierten die Heilbronner unter ihrem (nach dieser Saison scheidenden) Chef-Dirigenten Ruben Gazarian in einer ausgedünnten, auf das Wesentliche konzentrierten Fassung von Glen Cortese, bei der die (eingesprungene) Altistin Ivonne Fuchs und der Tenor Daniel Behle die Solopartien gestalteten.
Zum Auftakt aber Debussy in einer von Georg Oyen, einem der Cellisten des WKO, erarbeiteten Fassung für Solostreichquartett und Streichorchester. Rechtgläubige Kammermusikpuristen mögen derartige Versuche in Grund und Boden verdammen – das Ergebnis war durchaus interessant und gut hörbar. Einem sonoren Auftakt folgten im zweiten Satz (Assez vif) spritzige Pizzikato-Wirkungen und im dritten Satz (Andantino, doucement expressif) bewegende Gesänge (wunderbar die Solobratsche von Loan Cazal), bevor das ganze Werk in einer großen Steigerung am Ende sei-nen Höhepunkt fand.
Eine andere Klangwelt entwickelte Mahlers „Lied von der Erde“, das freilich ebenso exotische Elemente aufgreift wie Debussys Klangwelten. Die Textvorlage lieferten (sehr frei) auf Deutsch nachgedichtete Gedichte aus China, die Hans Bethge 1907 in seiner Sammlung „Die chinesische Flöte“zusammengestellt hat. Beim (einleitenden) „Trinklied vom Jammer der Erde“machte Ruben Gazarian allerdings dem Solisten Daniel Behle durch große sinfonische Lautstärke das Singen schwer – vom Solisten wurde hier voller Einsatz gefordert, um durchzudringen. In den anderen beiden Tenorliedern („Von der Jugend“/“Der Trunkene im Frühling“) konnte Daniel Behle seine Tenorstimme dann weit reicher zur Geltung bringen. Mühelos bewältigte er die von Mahler geforderte hohe Stimmführung.
Auch Ivonne Fuchs begeisterte in ihren drei Sätzen mit einem ausgewogenen Timbre und klarer Deklamation. Die Instrumentalzwischenspiele wurden vom Orchester klangschön ausmusiziert (etwa nach „Ja, gib mir Ruh’, ich hab Erquickung not“) und die Herbst- und Abschiedsstimmungen wurden immer eindringlicher, bis hin zum Alt-Abschluss „Der Abschied“. Hier entspann sich, nach dem einleitenden Gongschlag, ein wunderbares, ganz stilles Duett zwischen der ausdrucksvollen Stimme von Ivonne Fuchs und der Soloflöte von Stephanie Winkler sowie der Solooboe von Norbert Strobel.
Allerdings fehlte dem Dirigenten der Mut zu Mahlers letzter Anweisung „Gänzlich ersterbend“bei den Worten „Ewig … Ewig“- die Dynamik des Erlöschens blieb in einer mittleren Lautstärke. Und in Sachen Bearbeitungen durfte jeder sein eigenes Urteil mit auf den Nachhauseweg nehmen - der Abend bot jedenfalls Klangerlebnisse, die man in jedem Fall gern mit nach Hause nahm.
Das nächste, letzte Konzert des WKO in dieser Saison unter Ruben Gazarian bietet am 26. April, um 19:30 Uhr im Kornhaus Ulm Werke des aus Lettland stammenden Komponisten Peteris Vasks und von Edward Grieg; Solist ist der Bratscher Maxim Rysanov.