Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Spiel’s noch einmal, Dany!
Der Komiker Dany Boon bringt die „Sch’tis“nach Paris
Willkommen bei den Sch’tis“, die Komödie um ein Postamt in der Grenzregion von Frankreich und Flandern, wurde 2008 zum erfolgreichsten Kinofilm in Frankreich. Für die klassische Filmkritik ist es ein Rätsel, wenn nicht ein Skandal, wenn Filme, die so „oberflächlich, banal und klischeebeladen“sind, zu den erfolgreichsten Produktionen einer Nation werden, nicht etwa innerhalb eines Jahrzehnts, sondern der kompletten Nachkriegszeit.
20 Millionen Franzosen haben die „Sch’tis“gesehen, zwei Millionen Besucher hatten sie in Deutschland. Ein Erfolg wie Bully Herbigs „Schuh des Manitu“von 2001 (11,7 Millionen Besucher), oder „Der Vollposten“2016 in Italien – alles Filme mit hohem Albernheitswert.
Der französische Kabarettist, Schauspieler und Regisseur Dany Boon, der selbst aus Nordfrankreich stammt, ist sozusagen der Vater der Sch’tis. Er setzt ganz auf den Effekt der picardischen Sprache, die aus einem spitzen „merci“ein vollmundiges „merschi“macht, und auch für wohlmeinende Franzosen auf Anhieb zumindest mal verwirrend ist. Das Konzept mit der Komik der Zischlaute bewirtschaftet Boon seit Jahren erfolgreich. In seinem neuen Film werden die Sch’tis nicht besucht, sondern kommen nach Paris.
Neue Einfälle, gutes Tempo
Und solange sie dort sind, ist der Film unterhaltsam, denn hier lebt er von neuen Einfällen, seiner Pointendichte, einem guten Tempo und zielstrebigen Vorwärtsdrang. Regisseur Dany Boon spielt selbst die Hauptrolle, setzt sich eine Brille aus badenwürttembergischer Produktion in sein mimikreiches Gesicht und gibt einen erfolgreichen Innenarchitekten. Für die Karriere in der Hauptstadt hat der den derben Dialekt erfolgreich abgelegt und verschweigt die Herkunft aus dem Norden. Gerade hat er die Legende in die Welt gesetzt, er sei als Waisenkind traumatisiert aufgewachsen, da holen ihn die rustikale Familie und die Sch’tis-Vergangenheit ein.
Die meisten Witze, die nicht aus dem Dialekt entstehen, gehen aufs Konto der Pariser Oberschicht und ihrer Wohnraumgestaltung. Wobei gerade bei der Innenarchitektur die Grenzlinie von Wirklichkeit und Klischee fließend ist, zwischen „gut beobachtet“und „leicht überzeichnet“. Architektenkinder, die auf DesignerStühlen groß geworden sind, werden dies zu würdigen wissen. Und die häufigen Auftritte von Orthopäden und Osteopathen nachvollziehen.
Später wird es vorhersehbar
Der Haken des Films ist sozusagen die zweite Halbzeit. Denn wenn die Kamera mit der Sch’tis-Familie Paris gen Norden verlässt, erlebt man den neuen Film als Wiederholung des ersten, nur eine Umdrehung gröber und drastischer, aber eben mit absehbarem Verlauf. Zumal auch die meisten Schauspieler aus dem ersten bekannt sind, vor allem die resolute Mutter (Line Renaud), die an ihrem „Bübchen“hängt. Ein sicheres Indiz, dass einem Regisseur unterwegs die Ideen ausgegangen sind, ist ein Ende, das mit dem Absingen von Liedern angesteuert wird. Hier werden zum Schluss die Getränkedosen geknackt, Papi rockt zu Muttis Achtzigstem gelenkig über die Bühne seines Schrotthandels, bis sich alle in den Armen liegen: Ein Bier sagt mehr als 1000 Worte. Zumal wenn der Text in der Sprache der Sch’tis erklingt.
Zum Erfolg von Dany Boons erstem Film in Deutschland hatte auch die deutsche Synchronisation beigetragen, die eine Eigendynamik entwickelte. Dazu lässt sich noch nichts sagen. Die vorab gezeigte Pressevorführung hatte deutsche Untertitel. Da ist für Humor wenig Platz.