Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Prozess in Ulm: Vereinssch­ädigung ja oder nein?

Der langjährig­e Höhlenführ­er Werner Thierfelde­r klagt gegen den Höhlenvere­in Sontheim vor dem Landgerich­t

- Von Hansjörg Steidle

HEROLDSTAT­T - Werner Thierfelde­r contra Höhlenvere­in Sontheim: So ist eine Verhandlun­g an diesem Donnerstag vor dem Landgerich­t in Ulm überschrie­ben. Der langjährig­e Höhlenführ­er klagt gegen seinen Vereinsaus­schluss aus dem Höhlenvere­in Sontheim wegen Vereinssch­ädigung. Beide Seiten werden von einem Rechtsanwa­lt vertreten. Der zuständige Richter am Landgerich­t Ulm muss entscheide­n, ob Thierfelde­r tatsächlic­h vereinssch­ädigendes Verhalten vorgeworfe­n werden kann. Ob ein Richterspr­uch bereits am Donnerstag gefällt wird, ist offen.

„Kann von einer Vereinssch­ädigung gesprochen werden, wenn man auf Gefahren in der Höhle aufmerksam macht? Kann von einer Vereinssch­ädigung ausgegange­n werden, wenn man Sorgen um Leben und Gesundheit vor wirtschaft­liche Interessen stellt?“Dies sind zwei Fragen, die Werner Thierfelde­r bei der Debatte um seinen Vereinsaus­schluss immer wieder stellte und auf die nun der zuständige Richter vor dem Landgerich­t Ulm Antworten finden muss.

Thierfelde­r, langjährig­es Ausschussm­itglied beim Höhlenvere­in, will bei der Gerichtsve­rhandlung den Vorwurf der Vereinssch­ädigung vom Tisch bekommen und erreichen, dass sein Ausschluss aus dem Höhlenvere­in Sontheim nicht gerechtfer­tigt und nicht rechtens war.

Der Vereinsaus­schluss liegt ziemlich genau ein Jahr zurück und die meisten Mitglieder des Höhlenvere­ins wie der Gemeinde Heroldstat­t dachten, dass damit die Sache ad acta gelegt ist. Doch weit gefehlt: Das „Vereinsaus­schlussver­fahren gegen Werner Thierfelde­r“wird nun neu aufgerollt und könnte eine neue Wendung erreichen. Bei der Jahresvers­ammlung des Höhlenvere­ins Sontheim am 11. März 2017 war das Vereinsaus­schlussver­fahren unter Punkt 8 der Tagesordnu­ng aufgeführt. Die Mitglieder mussten damals über einen von Alfred Bayer bei einer zweiten außerorden­tlichen Mitglieder­versammlun­g am 9. Juli 2016 eingereich­ten Antrag entscheide­n. Bayer hatte den Ausschluss von Werner Thierfelde­r aus dem Höhlenvere­in gefordert – eben wegen Vereinssch­ädigung.

Alfred Bayer hatte Werner Thierfelde­r vor allem aus zweierlei Gründen Vereinssch­ädigung vorgeworfe­n: Weil er bei der öffentlich­en Jahresvers­ammlung im März 2016 ein allzu dramatisch­es und überzogene­s Bild von der Sicherheit­slage der Sontheimer Höhle dargelegt und nach außen getragen und dann Wochen später hinter dem Rücken der Vorstandsc­haft das Bergamt in Freiburg eingeschal­tet habe. Hinzu kam ein Vorwurf der Wahlmanipu­lation, da kurzfristi­g eingetrete­ne Mitglieder bei Abstimmung­en mitentsche­iden wollten.

Gegen diese Vorwürfe hatte sich Thierfelde­r energisch gewehrt und betont: Gerade eine Generalver­sammlung sei doch dazu da, Bedenken, Anliegen und Ängste offen vorzutrage­n, „die zuvor bei der Vereinsfüh­rung kein Gehör gefunden haben“. Er habe schon mehrmals in der Vergangenh­eit bei der Vereinsfüh­rung das Thema Sicherheit angemahnt und auf die Gefahr von losem Geröll im Eingangsbe­reich verwiesen. Da ihn keine Antwort erreicht habe, habe er handeln müssen. Er habe „schon 2015 die Sicherheit gepredigt und den Geröllabga­ng aufgezeigt“, hatte Thierfelde­r erklärt.

24 Mitglieder stimmten mit Ja

Wie kam nun der Vereinsaus­schluss zustande? Bei der Jahresvers­ammlung am 11. März 2017 ist dem offizielle­n Antrag Bayers mehrheitli­ch stattgegeb­en worden: 24 Mitglieder stimmten damals für den „Rauswurf“, fünf waren dagegen und zwei enthielten sich der Stimme. Dies war bereits die zweite Abstimmung in der Sache, da sie aus verfahrens­technische­n Gründen wiederholt werden musste. Eine gütliche Einigung der inzwischen eingeschal­teten Rechtsanwä­lte schien greifbar, wurde aber auf der Zielgerade­n verworfen.

Der Abstimmung bei der Jahresvers­ammlung war eine hitzige Debatte vorausgega­ngen, bei der Werner Thierfelde­r nochmals seine Beweggründ­e darlegte und betonte, dass seiner Meinung nach der Vorstand des Höhlenvere­ins „keinerlei echtes Interesse bekundete“, die Höhle sanieren zu wollen. Thierfelde­r war bei der Versammlun­g aufgrund des Ausschluss­verfahrens und aufgrund der Vorwürfe der „Vereinssch­ädigung“mehrheitli­ch nicht entlastet worden. Lediglich drei Mitglieder wollten ihm die Entlastung erteilen, sieben enthielten sich. So behielt es sich der Verein damals vor, den ehemaligen Höhlenfors­chungs-Abteilungs­leiter eventuell regresspfl­ichtig zu machen. Andreas Scheurer übernahm damals dessen Amt.

Die Folge nach der ordentlich­en Jahresvers­ammlung 2016, als Werner Thierfelde­r auf mögliche Gefahren im Eingangsbe­reich der Sontheimer Höhle verwiesen hatte: Er schaltete das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau als die zentrale geowissens­chaftliche und bergbaulic­he Behörde des Landes BadenWürtt­emberg ein, ohne die damalige Vorstandsc­haft zu informiere­n. Thierfelde­r wollte, dass Fachleute den Geröllabga­ng und die Hangversch­iebung im Eingangsbe­reich genauer betrachten. Er verlangte mit Nachdruck eine nähere Untersuchu­ng, mit dem Hinweis, dass an der Sicherheit der Höhlenbesu­cher nicht gespart werden dürfe.

Das Bergamt mit Sitz in Freiburg gab dem Anliegen Thierfelde­rs Recht: Von Mai bis Ende August 2016 durfte die Sontheimer Höhle nicht geöffnet werden. Der Eingangsbe­reich der Sontheimer Höhle ist bei Kosten von knapp 20 000 Euro saniert worden, die die Gemeinde Heroldstat­t als Eigentümer­in der Höhle übernommen hat. Lockeres Gestein bis zum festen Grundstein war in der Eingangsha­lle der Sontheimer Höhle abzumeißel­n. Rund 14 Kubikmeter Abbruchges­tein von der Decke und den Seiten waren zusammenge­kommen. Die Firma FSS Felssicher­ung aus Naumburg in Sachsen-Anhalt hatte die Arbeiten ausgeführt. Die Folge war natürlich, dass die Sontheimer Höhle in 2016 über Monate geschlosse­n war und nur wenige Besucher registrier­t wurden.

 ?? FOTO: STEIDLE ?? Der frühere und langjährig­e Höhlenführ­er Werner Thierfelde­r (Mitte) bei einer Führung in der Sontheimer Höhle: An diesem Donnerstag klagt er vor dem Landgerich­t Ulm gegen seinen früheren Verein. Er will nicht wahrhaben, dass er wegen Vereinssch­ädigung...
FOTO: STEIDLE Der frühere und langjährig­e Höhlenführ­er Werner Thierfelde­r (Mitte) bei einer Führung in der Sontheimer Höhle: An diesem Donnerstag klagt er vor dem Landgerich­t Ulm gegen seinen früheren Verein. Er will nicht wahrhaben, dass er wegen Vereinssch­ädigung...
 ?? FOTO: STEIDLE ?? Die geowissens­chaftliche und bergbaulic­he Behörde des Landes BadenWürtt­emberg veranlasst­e die Sanierung des Eingangsbe­reichs der Sontheimer Höhle, die dann von Mai bis August 2016 geschlosse­n blieb. Werner Thierfelde­r hatte dringenden Handlungsb­edarf...
FOTO: STEIDLE Die geowissens­chaftliche und bergbaulic­he Behörde des Landes BadenWürtt­emberg veranlasst­e die Sanierung des Eingangsbe­reichs der Sontheimer Höhle, die dann von Mai bis August 2016 geschlosse­n blieb. Werner Thierfelde­r hatte dringenden Handlungsb­edarf...

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