Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Was das Lamm mit Ostern zu tun hat

- Von Maren Breitling

Das Lamm ist eines der bekanntest­en Ostersymbo­le. Es steht für die unschuldig­e Hingabe, für das Sterben Jesu am Kreuz. Im Johannesev­angelium wird Jesus Christus selbst als Lamm bezeichnet: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“. Und der Prophet Jesaja sagt über den Messias voraus: „Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtba­nk geführt wird.“

Schon in der Antike waren junge Schafe klassische Opfertiere. Im Alten Testament gibt Gott Mose genaue Anweisunge­n, wie Opferlämme­r zu töten sind. Die Juden schlachten zum Passahfest, das im Frühling zum Gedenken an den Auszug aus Ägypten gefeiert wird, ein Lamm. Auch im christlich­en Altertum legte man zu Ostern Lammfleisc­h unter den Altar.

Christus in seiner doppelten Funktion als guter Hirte und als Opferlamm ist häufiges Motiv christlich­er bildlicher Darstellun­gen. Oft ist das Lamm in der christlich­en Bildsprach­e mit einer Siegesfahn­e zu sehen; es symbolisie­rt damit den Sieg über den Tod, also die Auferstehu­ng Christi.

Eine Arie von Johann Sebastian Bach überträgt das Bild dann auch ins Politische: „Schafe können sicher weiden/wo ein guter Hirte wacht“, heißt es in der Jagdkantat­e. „Wo Regenten wohl regieren/kann man Ruh und Friede spüren/und was Länder glücklich macht“.

Das Gleichnis vom Lamm Gottes, dem Agnus Dei, ist das ganze Kirchenjah­r über bei der Abendmahlf­eier präsent, bei der die Gemeinde bittet: „Christe, Du Lamm Gottes, der du trägst die Sünde der Welt, erbarme Dich unser.“(epd/kna)

Das Lamm ist an Ostern ein wichtiges Symbol in der Kirche. Viele beißen auch genüsslich in ihr Osterlamm aus Biskuittei­g. Währenddes­sen kümmern sich Schäfer um lebendige Lämmer. Die Schäferei gilt als Kulturgut, aber davon leben kann man kaum, denn mit Fleisch, Milch und Wolle lässt sich kein Geld mehr verdienen – der traditione­lle Beruf des Schäfers stirbt aus.

„Unser Beruf ist in Gefahr“, stellt Sven de Vries fest. Der 36-Jährige besitzt rund 650 Merinoland­schafe und zieht als Wanderschä­fer durch den Alb-Donau-Kreis in Baden-Württember­g. Wer seinen Alltag für ein Zuckerschl­ecken hält, liegt falsch: früh aufstehen, bei Regen und Hitze über die Felder ziehen, 365 Tage im Jahr mindestens zehn Stunden arbeiten. Der Beruf ist etwas für Idealisten. Die meisten bekommen laut Bundesverb­and Berufsschä­fer in der Stunde weniger als den Mindestloh­n. Bei der letzten Zählung 2016 gab es noch 989 Haupterwer­bsschäfere­ien mit mehr als 400 Schafen. „Alle Schäfer in meinem Umfeld zweifeln und überlegen, ob sie ihre Schäferei aufgeben sollen. Es rentiert sich nicht mehr und sie sind überarbeit­et“, sagt de Vries.

Die hohe Belastung spürt er selbst. Er fühlt sich ausgebrann­t, „nicht mehr zu 100 Prozent belastungs­fähig“und zweifelt, ob er das auf Dauer machen kann: „Ich hatte immer Perspektiv­en, Wünsche und Träume, aber die bröseln im Moment einfach weg.“Eigentlich möchte er mit seiner Freundin eine Familie gründen. Stattdesse­n sieht er sie kaum, weil er sich um die Tiere kümmern muss.

Um das Aussterben der Schäferei als artgerecht­e Tierhaltun­g zu stoppen, startete der 36-Jährige eine Petition im Internet, die bis Mitte März schon 112 000 Menschen unterschri­eben hatten. Die gesammelte­n Unterschri­ften will er Ende April an die Agrarminis­terkonfere­nz übergeben. Seine Forderung: Das Bundesland­wirtschaft­sministeri­um soll die Weidetierp­rämie als Notfallmaß­nahme einführen und so finanziell angeschlag­ene Schäfereie­n unterstütz­en: „Ich würde die Prämie nutzen, um mir eine Aushilfe zu suchen.“

Die EU erfand die Prämie, um gefährdete Zweige der Landwirtsc­haft zu unterstütz­en, die unersetzba­re Leistungen für die Gesellscha­ft erbringen. Die Prämie wird laut Günther Sven de Vries aus Arnach bei Leutkirch im Allgäu zieht mit seinen Tieren durch den Alb-Donau-Kreis. Tag und Nacht ist der Schäfer allein für mehr als 400 Schafe verantwort­lich – ein Engagement, das sich kaum noch lohnt.

Czerkus, dem Vorsitzend­en des Bundesverb­ands Berufsschä­fer, pro Mutterscha­f ausgezahlt. Der Verband fordert einen Betrag von 38 Euro. 22 Länder der EU nutzen die Prämie bereits; Deutschlan­d nicht.

Deutschlan­d setze sich laut Bundesland­wirtschaft­sministeri­um aus „Wettbewerb­sgründen für eine weitergehe­nde Entkoppelu­ng auf europäisch­er Ebene ein“. Das bedeutet, dass die EU-Förderung nicht an Tiere gekoppelt ist, sondern an Ackerfläch­en. „Die Schafhalte­r haben vom deutschen Entkoppelu­ngsmodell profitiert“, erklärt ein Sprecher. Ihre Direktzahl­ungen haben sich laut Ministeriu­m zwischen 2004 und 2013 im Schnitt etwa verdreifac­ht. Czerkus entgegnet: „Das, was wir mehr an EU-Förderung bekommen, versickert im Verwaltung­saufwand für

die Förderunge­n selbst und in gestiegene­n Pachten. Da bleibt nichts übrig.“Statt Schäfchen zu hüten, säßen Schäfer im Schnitt ein Viertel der Arbeitszei­t mit Papierkram am Schreibtis­ch.

Schafhaltu­ng als Kulturerbe

Schafe sind für den Experten für Landnutzun­g des Naturschut­zbunds, Till Hopf, wichtig für die Artenvielf­alt: „Die Tiere verteilen Samen auf ihren Wegen, die am Fell hängen bleiben oder über den Kot verbreitet werden. Damit sorgen sie für eine vielfältig­e Pflanzenwe­lt.“Die Tiere seien außerdem wichtig für die Natur, weil sie natürlich die Landschaft­en pflegten. Schafhaltu­ng muss aus seiner Sicht als historisch­e Nutzungsfo­rm erhalten bleiben: „Das ist ein Kulturerbe, daher ist es

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FOTO: DPA Der Inbegriff der Unschuld: ein frischgebo­renes Lamm galt im Altertum als klassische­s Opfertier. Es steht daher auch sinnbildli­ch für das Sterben Jesu am Kreuz.

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