Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Eine Stütze für alle, die Hilfe suchen
In dieser Woche feiert die Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm ihr 40-jähriges Bestehen - Was die Ehrenamtlichen Tag für Tag leisten
ULM - Ein Anruf genügt und sofort gibt es Hilfe? So einfach geht das nirgends, auch nicht bei der Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm. Obwohl dort mehr als 80 Ehrenamtliche arbeiten, kann die Einrichtung nicht für jeden Hilfesuchenden da sein. Das Einzugsgebiet ist groß: Es umfasst die Städte Ulm und Neu-Ulm, den Landkreis Neu-Ulm, den Kreis Heidenheim sowie den Alb-DonauKreis und den Ostalb-Kreis.
Stefan Plöger leitet die ökumenische Telefonseelsorge Ulm/NeuUlm zusammen mit Renate Breitinger. Er weiß, dass zu wenige Anrufer gleich Gehör finden: „Im vergangenen Jahr gab es bundesweit über neun Millionen Anrufversuche, davon waren auf Anhieb nur 1,3 Millionen erfolgreich. Das ist schon krass“, sagt er. Dass nicht jeder Hilfesuchende gleich einen Zuhörer findet, liegt auch daran, dass sich die Mitarbeiter der Seelsorge für die Anrufer Zeit nehmen. Sie gehen intensiv auf die Probleme, Sorgen und Nöte der Menschen am anderen Ende der Leitung ein. Heute wird allerdings nicht nur telefoniert, sondern auch gemailt und gechattet.
In dieser Woche feiert die Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm, die täglich rund um die Uhr erreichbar ist und bei der Mitarbeiter wie Anrufer anonym bleiben, ihr 40-jähriges Bestehen. Eine lange Zeit, in der wertvoller Dienst am Menschen geleistet wurde. Um diesen noch zu verbessern, suchen Breitinger und Plöger weitere Ehrenamtliche. Diese erhalten eine einjährige Ausbildung und können dann einsamen, ratsuchenden oder verzweifelten Menschen beistehen.
Die Helfer müssen keiner großen christlichen Kirche angehören, aber für christliche Werte einstehen. Sie verpflichten sich nach der Ausbildung für drei Jahre. „Manche Ehrenamtlichen arbeiten schon seit zehn, 15 Jahren oder noch länger mit“, sagt Plöger über deren Engagement, das er hoch schätzt. Wer den Dienst so lange verrichtet, muss viel aushalten können, ist er doch ständig mit dem Leid anderer konfrontiert.
Suizidgedanken kommen häufig im Frühjahr auf
Der Leiter der Einrichtung weiß: „Das Frühjahr ist die Zeit mit der höchsten Suizidrate. Da spüren manche Menschen, dass sie im Gegensatz zur Natur nicht lebendig werden, dass sie im Grau, in der Depression verharren.“Natürlich würden sich auch Menschen vor Feiertagen fragen: „Wo stehe ich im Leben? Welche Bindungen habe ich? Wie ist mein soziales Umfeld?“Die Gefahr, dass Menschen, die mit ihren Sorgen nicht allein fertig werden, ihr Leben in Frage stellen und es vielleicht sogar beenden möchten, ist vor Ostern so gesehen doch größer als an anderen Tagen. Messen lässt sich das aber nicht. Die Ehrenamtlichen stehen auch so pausenlos mit Anrufern in Kontakt.
Wer bei der Telefonseelsorge anruft, leidet meist an Einsamkeit, an einer psychischen Erkrankung, unter Konflikten in der Familie oder in der Partnerschaft. Höchst selten, so Plöger, sind Anrufe von Flüchtlingen: „Das hat vor allem mit der Sprache zu tun.“Es gebe Menschen, die in einer bestimmten Situation anrufen, aber auch Leute, die regelmäßig Beistand suchen. „Für die sind wir eine Stütze“, sagt Plöger und ergänzt: „In der Regel merke ich nach einem Gespräch, ob es etwas gebracht hat. Zum Beispiel, wenn es mit einem Scherz endet.“Unmittelbare Hilfe könne man kaum leisten. Es gehe darum, dem Anrufer zu vermitteln, dass er ernst genommen wird und ihm Möglichkeiten aufzuzeigen, wie er aus seinem Dilemma herauskommen oder besser damit umgehen kann.
Am Schönsten für die Mitarbeiter ist es, wenn der Anrufer am Ende Sätze sagt wie „Habe schon lange nicht mehr so gelacht wie heute“, „Wenn ich einen großen Blumenstrauß hätte, würde ich ihn Ihnen überreichen“oder „Ihr Impuls gibt mir zu denken.“
Anrufe: Im vergangenen Jahr hat die Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm 17 350 Anrufe erhalten, zusammen mit Mails und Chats gab es 18 256 Kontakte.
Gespräche: Ein Telefonat dauerte im Schnitt 23,45 Minuten.
Kontakt: Hilfesuchende erreichen die Telefonseelsorge Ulm/Neu-Ulm unter den Telefonnummern 0800/ 1110111 oder 0800/1110222. Wer sich dort als Helfer engagieren möchte, wählt die 0731/69883.