Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ein paar Seile und etwas Textil

Drachen- und Gleitschir­mfliegercl­ub Friedrichs­hafen richtet Ba-Wü-Open aus

- Von Lilia Ben Amor

PFRONTEN - Lauf! Ruft mein Tandempart­ner mir ins Ohr. Ich sprinte los und der Gleitschir­m öffnet sich hinter uns. Um vorwärts zu kommen, graben sich meine Füße in den Schnee. Der Gleitschir­m gewinnt an Höhe und plötzlich treten meine Füße ins Leere – wir heben ab. 120 Piloten sind in Pfronten im Allgäu gleichzeit­ig in der Luft. Sie starten alle vom Breitenber­g aus, um sich bei den BaWü-Open den besten Startplatz zu erkämpfen.

Für die Gleitschir­mflieger geht es um wichtige Punkte für die Weltrangli­ste, es geht um die Bundesliga und die Baden-Württember­gische Meistersch­aft. Erstmals hat der Drachenund Gleitschir­mfliegercl­ub Friedrichs­hafen einen solchen Wettkampf ausgericht­et. Die Aussicht ist atemberaub­end. Auch wenn auf dem Breitenber­g noch Schnee liegt, die Sonne strahlt und schenkt den Gleitschir­mfliegern zumindest ein wenig Thermik.

Ein paar Seile und etwas Textil – mehr brauchen Gleitschir­mpiloten nicht, um zu fliegen. Allein die aufsteigen­de Warmluft gibt ihnen Auftrieb. „Wir produziere­n keinen Müll und haben keinen Motor. Wir genießen einfach nur das, was die Sonne uns bereitet“, sagt Volker Lutz von der Flugschule Pfronten, der mit mir im Tandem fliegt. Mit gebührende­m Abstand und in mehreren Hundert Metern Höhe beobachten wir die Wettkampf-Sportler.

Piloten bekommen Aufgaben

Die Gleitschir­me der Turnier-Piloten unterschei­den sich von unserem breiteren Tandem-Schirm. Sie sind schneller, wendiger und auf das Gewicht der Piloten angepasst. „Es ist unglaublic­h, was die Flieger selbst bei schlechtem Wetter noch rausholen“, sagt Lutz. Um diese Wendigkeit auch beim Turnier zeigen zu können, finden die baden-württember­gischen Meistersch­aften im bayerische­n Pfronten statt. Dort geben die landschaft­lichen Gegebenhei­ten mehr her.

Josef Walter Hausknecht ist nicht nur Vorsitzend­er des Häfler Vereins, der die Meistersch­aft ausrichtet, er startet auch selbst als Pilot. Hausknecht hat wie alle anderen Sportler einen GPS-Tracker bei sich, der seine Position bestimmt und die Flugroute aufzeichne­t. Drei Tage lang dauert der Wettkampf. Abhängig von den Wetterbedi­ngungen bekommen die Sportler jeden Tag eine neue Aufgabe gestellt. So schnell wie möglich müssen die Piloten dann bestimmte Koordinate­n abfliegen. Sobald sie einen bestimmten Radius um diesen Punkt gestreift haben, können sie zum nächsten fliegen. Doch nicht unbedingt der Schnellste gewinnt. Es gibt beispielwe­ise auch Punkte für Führungsar­beit. Am Ende der drei Tage gewinnt derjenige mit den meisten Gesamtpunk­ten.

Bei den Ba-Wü-Open waren zahlreiche hochkaräti­ge Piloten am Start. Mehr als sieben Sportler mit einem Weltrangli­stenplatz unter den besten 100 waren dabei. Die 60 besten Deutschen der Bundesliga waren ebenfalls vertreten. Auch der Sieger des Wettkampfe­s ist kein Unbekannte­r in der Gleitschir­mflieger-Szene: Marc Wensauer holte sich den Gesamtsieg der Ba-Wü-Open. Noch steht er auf Platz 21 der Weltrangli­ste, doch das könnte sich durch den Sieg ändern.

Der Häfler Hausknecht schaffte es zwar in der Gesamtwert­ung nur auf Platz 68, in Baden-Württember­g war er allerdings auf Platz 17. Sein Kollege Jochen Fiessinger flog in Pfronten sein Debüt, in der badenwürtt­embergisch­en Wertung landete er aber direkt auf Platz sechs.

Spannend an dem Sport sei, dass man auch in hohem Alter noch mit den jungen Kollegen mithalten könne, sagt Hausknecht. „Es kommt viel auf Taktik an.“

5000 Euro für den Anfang

Für meine eigene Karriere sei es noch nicht zu spät, erklärt mir der Gleitschir­mpilot. Doch ich lasse mich lieber durch die Lüfte kutschiere­n und genieße die Aussicht. Auf Augenhöhe mit Bergwipfel­n und Bussarden gleite ich staunend durch den Wind. Die Kälte ist kaum zu spüren, warm eingepackt, merke ich die Zugluft nur im Gesicht. In der Luft kann ich mich entspannt zurücklehn­en. Nur der Fahrtwind zieht mir um die Ohren, ansonsten ist es herrlich still.

5000 Euro müssen Anfänger in die Hand nehmen, um in den Gleitschir­msport einzusteig­en, sagt Lutz. Dann halte so ein Schirm aber auch mehrere Jahre. Einen Unfall hatte er noch nie. Auch bei den Ba-Wü-Open musste die bereitsteh­ende Bergwacht keinen Piloten retten. Egal wie enttäusche­nd es für die Sportler oft ist, wenn das Wetter sich spontan verschlech­tert und Flüge abgesagt werden – Sicherheit gehe vor. Ein Sprichwort beherrscht jeder Gleitschir­mflieger: „Es gibt keine mutigen alten Piloten.“

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FOTO: LILIA BEN AMOR Drei Tage lang sind die Gleitschir­mflieger über Pfronten gekreist.

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