Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Woche der Wahrheit für die EU-Reformer
Er versucht es noch einmal: Frankreichs Präsident kommt nach Berlin, um die Kanzlerin von seinen Reformplänen zu überzeugen. Aber dort ist von der Europa-Euphorie des Koalitionsvertrags wenig übrig geblieben.
Macron will am Dienstag mit einer Rede vor dem EU-Parlament ein neues Zeichen für sein Projekt zur Reform der Europäischen Union setzen. Am Donnerstag besucht er Kanzlerin Angela Merkel und hofft darauf, endlich mehr als nur vage Sympathiebekundungen zu erhalten. Auch in Berlin kommt Bewegung in die Sache – aber offensichtlich in die andere Richtung. CDU und CSU wollen ihren Kurs in der Europapolitik abstecken. Macrons Visionen stoßen hier auf große Skepsis.
Umstritten sind vor allem die Vorstöße zum Umbau der Währungsunion, für die Macron einen Haushalt vorgeschlagen hatte. Sein Europa-Projekt umfasst aber noch weitere Vorschläge: Die Sozial- und Steuersysteme sollen näher zusammenrücken, ein einheitlicher Mindestsatz für Unternehmensteuern eingeführt werden. Der Präsident will ein europäisches Asylamt sowie eine Innovationsagentur, die die digitale Revolution vorantreibt. Unterstützung erhält Macron immer wieder von EU-Kommissionschef JeanClaude Juncker. Der hatte in der Vergangenheit ja eine Reihe von Plänen vorgelegt, die ähnlich weit reichen wie Macrons Ideen. Unter anderem soll das Amt eines EU-Finanzministers geschaffen werden.
Fortschritte gab es bei alldem bislang nur wenige. Die Einführung eines EU-Finanzministers ist sogar praktisch von der Tagesordnung verschwunden. Acht nördliche Staaten, etwa Finnland und die Niederlande, hatten sich zuletzt gegen weitreichende Kompetenzverschiebungen in Richtung EU ausgesprochen.
Der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) macht klar, dass er den Sparkurs seines vor allem in Südeuropa ungeliebten Vorgängers Wolfgang Schäuble (CDU) im Prinzip fortsetzen will. Von Europa-Euphorie, wie sie mancher aus dem GroKo-Vertrag gelesen hat, kann keine Rede mehr sein.
Anfang dieser Woche wollen CDU-Präsidium und Unionsfraktion Merkel an die kurze Leine nehmen. In einem Papier für die Fraktionssitzung heißt es: „Wir dürfen die EU nicht überfordern“und: „Gute Europäer sind nicht diejenigen, die immer mehr Kompetenzen für die EU fordern“. Fraktionsvize Ralph Brinkhaus wird zitiert: „Ich sehe nicht, dass wir auf dem Gipfel Ende Juni substanzielle Fortschritte erzielen.“Genau das hatten sich Merkel und Macron aber vorgenommen.
Im Moment sieht es so aus, dass von einer Europa-Euphorie wenig übrig bleibt.