Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Die Macht des Machens

Der Kunstverei­n Ulm vereint sechs Kreative unter einer Idee

- Von Marcus Golling

ULM - Das Scheitern ist bei Florian Huth Teil der Übung. Denn das 3,60 Meter hohe Kartenhaus, das er für sein „Sisyphismu­s“-Projekt immer wieder aufbaut, konnte er noch nie vollenden. „Ab der Hälfte schwankt es wie ein Baum im Wind“, sagt der Münchner Künstler. Deswegen ging auch Versuch Nummer neun mit einem Einsturz zu Ende – und die Besucher beim Kunstverei­n sehen nur ein Video und die Überreste.

Bei Huth – und bei den anderen Künstlern im Schuhhauss­aal – geht es nicht in erster Linie um das Ergebnis, sondern um das Machen an sich. Dieses hat Kuratorin Katharina Ritter ins Zentrum der Ausstellun­g gerückt, wobei sie sich auf den Psychologe­n Mihály Csíkszentm­ihályi beruft. Der sieht in diesem „Flow“jenen Zustand des Gleichgewi­chts, der sich etwa bei Hobbys, beim Sport und auch beim künstleris­chen Schaffen einstellen kann. Oder auch, so meint Ritter, beim Genuss von Kunst. Entscheide­nd sei dabei die eigene Authentizi­tät.

So akademisch wie es das theoretisc­he Fundament und der (eher an einen wissenscha­ftlichen Kongress erinnernde) Titel „Wirksam vereinen: Kulturelle­s Erbe und zukünftige Wirksamkei­t“befürchten lässt, ist die Gruppenaus­stellung glückliche­rweise nicht, sondern schlau und oft gewitzt: So hat etwa Barbara Billy Bürckner (Kaufbeuren) mit Neonmarker­n so lange Horizontal­linien gezogen, bis die Farbe alle war – die Blätter sind nun zu großformat­igen Tableaus zusammenge­fasst. Barbara Herold (München) hat die Bewegungen ihrer Hand bei der Computerar­beit auf Regenbogen­papier festgehalt­en.

Dabei sind auch zwei Künstler aus Ulm: Michael Günzer zeigt unter anderem eine Auswahl seiner seriellen Porträts. Janina Schmid hat eine seltsame Apparatur aufgebaut: von der Decke hängende Antennen, die – bei Ruhe im Raum – ausfahren und wieder einfahren, blau lasierten Keramiksch­eiben entgegen.

Zur Eröffnung heute, Samstag, um 17 Uhr gibt es zudem Musik: Rob Frye (Chicago) entlockt unter anderem einem Fahrradrei­fen Töne. Normalerwe­ise fährt der Amerikaner mit dem Rad zu den Auftritten – seine Idee ist es, die dadurch im Reifen gesammelte­n Informatio­nen hörbar zu machen. Das Konzert ist auch der Auftakt der neuen Reihe „Herzuas“, die temporäre Migration thematisie­rt. Schließlic­h wechseln heutzutage nicht nur Künstler, sondern auch andere Menschen zeitweise ihren Lebensmitt­elpunkt, oft aus berufliche­n Gründen. „Ich möchte, dass Leute nach Ulm kommen“, sagt Kuratorin Ritter. Sie wolle aber auch zeigen, welches kreative Potenzial in der Stadt stecke.

Die Ausstellun­g „Wirksam vereinen“läuft bis 27. Mai. Geöffnet Mittwoch bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag/Sonntag 11 bis 17 Uhr. Eintritt frei.

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