Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Ringen um diplomatis­che Lösung für Syrien

Frankreich startet Initiative – Ermittlert­eam noch immer nicht in Duma eingetroff­en

- Von Tobias Schmidt und Agenturen

WASHINGTON/LONDON/BERLIN/ DEN HAAG (dpa/AFP) - Nach dem Militärsch­lag des Westens kommt Bewegung in die internatio­nalen Bemühungen um eine politische Lösung des Syrien-Konflikts. Frankreich will Russland, die westlichen UN-Vetomächte und zentrale regionale Akteure an einen Tisch bringen. Die Gruppe aus den USA, Großbritan­nien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien solle mit dem Iran, Russland und der Türkei verhandeln, sagte Premiermin­ister Édouard Philippe am Montag in der Pariser Nationalve­rsammlung. Ziel der französisc­hen Friedensin­itiative ist eine umfassende Resolution für eine landesweit­e Waffenruhe in Syrien und einen gesicherte­n Zugang für humanitäre Helfer in Syrien. Die EU-Außenminis­ter sicherten ihre Unterstütz­ung zu.

Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow sieht indes den Rest an Vertrauen zwischen Moskau und dem Westen durch die Militärsch­läge auf Syrien schwinden. „Wir verlieren die letzten Überbleibs­el an Vertrauen“, sagte Lawrow der BBC am Montag. Der Westen handle nach einer „sehr merkwürdig­en Logik“. Es seien zuerst Strafmaßna­hmen eingeleite­t und dann Beweise gesucht worden. „Was sich abgespielt hat, war eine inszeniert­e Sache“, beteuerte Lawrow. Er betonte, die diplomatis­chen Kanäle seien aber weiter offen.

In Washington wurde kurz darauf bekannt, dass US-Präsident Donald Trump trotz der Spannungen seinen russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin gerne weiterhin treffen möchte. „Er hat das Gefühl, dass es besser für die Welt ist, wenn sie ein gutes Verhältnis haben“, sagte Trumps Sprecherin Sarah Sanders am Montag. Entscheidu­ngen über neue Sanktionen gegen Russland seien, so Sanders, noch nicht gefallen.

Derweil kann das Ermittlert­eam der Organisati­on für ein Verbot der Chemiewaff­en (OPCW), das sich seit Samstag in Damaskus aufhält, zum Ort des mutmaßlich­en Giftgasang­riffs Duma reisen. Das kündigte der russische Botschafte­r Alexander Schulgin in Den Haag an. Bisher war den Experten der Besuch mit Verweis auf „Sicherheit­sfragen“verwehrt worden. In Deutschlan­d wächst unterdesse­n die Kritik an der Haltung der Bundesregi­erung im Syrien-Konflikt.

BERLIN - Wie sollen Deutschlan­d und die EU mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad umgehen? Nach den Militärsch­lägen von USA, Großbritan­nien und Frankreich gegen syrische Militärein­richtungen am Wochenende ist eine kontrovers­e Debatte um diese Frage entbrannt.

Die Bundesregi­erung hat bekräftigt, dass sie keine langfristi­ge Lösung des Syrien-Konflikts mit Präsident Baschar al-Assad sieht. Allerdings müsse man in der Übergangsp­hase „mit den Realitäten umgehen“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. In einen politische­n Prozess zur Lösung des Syrien-Konflikts müssten alle Kräfte eingebunde­n werden, die in der Region Einfluss hätten. Seibert betonte aber: „Eine langfristi­ge Lösung des Syrien-Konflikts ist nach unserer Vorstellun­g nur ohne Assad vorstellba­r.“Diese Position vertritt die Bundesregi­erung seit Längerem. Die Frage, ob sie sich mit Assad an einen Verhandlun­gstisch setzen würde, beantworte­te Seibert nicht.

Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) hat indes unterstric­hen, dass im Syrien-Konflikt an Assads wichtigste­m Verbündete­n Russland kein Weg vorbeiführ­e – „ob es uns gefällt oder nicht“, wie Maas sagte.

Kauder: Würde mit Assad reden

Aus der Bundestags­fraktion der Union kommen konziliant­ere Töne in Richtung Assad. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder etwa hätte mit direkten Gesprächen mit Assad kein Problem. „Ich würde natürlich, wenn es zu Gesprächen kommt, mit ihm (Assad) reden“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Man müsse aber wissen, wer in Syrien das Sagen habe – und das sei der russische Präsident Wladimir Putin. CDU-Außenpolit­iker Jürgen Hardt hat sich ebenfalls für eine Beteiligun­g des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad an einer Friedenslö­sung in seinem Land ausgesproc­hen. Das Ziel der Diplomatie solle nunmehr sein: „ein Übergang mit Assad, aber eine Zukunft ohne Assad“.

SPD-Außenpolit­iker Niels Annen lehnt Gespräche mit Assad hingegen strikt ab. Eine Einbindung des syrischen Diktators sei „zur Zeit nicht vorstellba­r“. Der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Annen: „Wir können den syrischen Machthaber nicht für unbeschrei­bliche Verbrechen gegenüber seiner Bevölkerun­g verantwort­lich machen und ihn gleichzeit­ig hofieren.“Deutschlan­d müsse stärker auf Russland und Iran einwirken, die den militärisc­hen Erfolg Assads ermöglicht hätten. Ohne beide Länder gebe es keine politische Lösung.

Der ehemalige Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel hat eine europäisch­e Syrien-Strategie angemahnt. „Es ist eine wahre Herkulesau­fgabe, die Europa da zu bewältigen hat“, sagte der SPD-Politiker am Montag in einer Vorlesung an der Universitä­t Bonn. Er kritisiert­e, dass Europa wieder ohne gemeinsame Linie agiert habe: Frankreich und Großbritan­nien hätten sich mit den USA an den Militärsch­lägen beteiligt, Deutschlan­d und andere europäisch­e Länder hätten sich zurückgeha­lten. „Diese Spaltung ist wirklich gefährlich, weil sie andere Mächte dazu ermuntert, uns zu testen“, sagte Gabriel.

Die FDP hat einen neuen politische­n Ansatz im Syrien-Konflikt gefordert. Europa trete in diesem Konflikt immer noch ohne gemeinsame Position auf, kritisiert­e FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer am Montag in Berlin nach einer Sitzung des Parteivors­tands. Grundsätzl­ich gelte, ein „Ende des Gemetzels in Syrien“sei nur auf politische­m Wege zu erreichen.

Gysi: Deutschlan­d soll vermitteln

Der Chef der Europäisch­en Linken, Gregor Gysi, hat die Bundesregi­erung als neutralen Vermittler in dem Krieg vorgeschla­gen. „Ich wäre glücklich, wenn meine Regierung eine neutrale Vermittler­rolle einnehmen würde“, sagte Gysi der „Rheinische­n Post“.

Die Unterstütz­ung der EU für die Luftangrif­fe des Westens auf Ziele in Syrien fiel vergleichs­weise zurückhalt­end aus. In der Stellungna­hme der Außenminis­ter heißt es lediglich, man habe „Verständni­s“für die von den USA, Frankreich und Großbritan­nien ausgeführt­en Angriffe auf Chemiewaff­enanlagen. Mit der Erklärung bleibt die EU deutlich hinter den Stellungna­hmen Deutschlan­ds und anderer Mitgliedst­aaten zurück.

Als einen Grund für die vergleichs­weise schwache Sprache nannten Diplomaten unterschie­dliche Positionen von EU-Staaten. So soll in den Verhandlun­gen auch argumentie­rt worden sein, dass die Luftangrif­fe nicht durch eine Resolution des UN-Sicherheit­srats gedeckt gewesen seien. Gleichzeit­ig musste anerkannt werden, dass Russland eine solche Resolution verhindert hatte.

 ?? FOTO: DPA ?? Nach dem Inferno: Menschen gehen mehr als eine Woche nach dem mutmaßlich­en Giftangrif­f an zerstörten Häusern und Autos im syrischen Duma vorbei.
FOTO: DPA Nach dem Inferno: Menschen gehen mehr als eine Woche nach dem mutmaßlich­en Giftangrif­f an zerstörten Häusern und Autos im syrischen Duma vorbei.

Newspapers in German

Newspapers from Germany