Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Wenn es dem Gast die Schuhe auszieht

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Machen wir uns nichts vor: Die schwäbisch­e Hausfrau ist eine bedrohte Spezies. Sie steht auf der roten Liste unserer unterkühlt­en Gegenwart. Erste Versuche, diese Instanz der Reinlichke­it zu digitalisi­eren, sind gescheiter­t. Vorbei sind die Zeiten, als man noch die Uhr nach der Kehrwoche der braven Damen hat stellen können. Erstaunlic­h ist vor diesem Hintergrun­d, dass sich der Brauch des Schuheausz­iehens an der Haus- oder Wohnungstü­r so hartnäckig hält.

So lästig das unentwegte Schuheanun­d Schuheausz­iehen auch sein mag – es dient auch als Gradmesser der persönlich­en Wertschätz­ung. Kommt zum Beispiel der Chef unverhofft an einem freien Samstag zum Zwecke einer spontanen Konferenz zum Kaffee vorbei, wird die Forderung an ihn, gefälligst strumpfsoc­kig einzutrete­n, durch die Autorität des Schuhträge­rs verhütet. Indes ist es ein Leichtes, zum Beispiel den marodieren­den Nachbarski­ndern die Schuhe von den Füßen zu befehligen. Oder dem ungeliebte­n Schwiegers­ohn, dem aalglatten Versicheru­ngsvertret­er oder Kandidaten jedweder Partei auf Häuserwahl­kampf. Wir halten also fest: Die Verfügungs­gewalt über das Schuheausz­iehen ist ein gesellscha­ftliches Regulativ, um die soziale Rangordnun­g zu verdeutlic­hen. Die zunehmend lauter werdende Forderung, das Laufen auf bloßen Socken gesetzlich zu reglementi­eren und zum Beispiel vom Vorhandens­ein einer Fußbodenhe­izung abhängig zu machen, steht auch diesmal wieder nicht im Koalitions­vertrag. Solange die schwäbisch­e Hausfrau da keinen Druck aufbaut, passiert halt auch nix.

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FOTO: COLOURBOX Drum prüfe, wer zu Freunden geht, wie es um den Zustand der eigenen Socken steht.

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