Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Umstellung in Kommunen läuft schleppend

Experte fürchtet, dass nicht alle die Frist für Einführung der doppelten Buchführun­g einhalten

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Rund zwei Drittel der baden-württember­gischen Kommunen haben noch nicht auf die doppelte Buchführun­g, genannt Doppik, umgestellt. Die Zeit drängt. Schafft eine Gemeinde die Umstellung nicht, kann sie keinen rechtmäßig­en Haushalt aufstellen – mit weitreiche­nden Konsequenz­en. Markus Günther, Vizepräsid­ent der Gemeindepr­üfanstalt (GPA), zeigt sich wenig optimistis­ch. „Die Sorge, dass es nicht alle schaffen, ist nach wie vor vorhanden“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Alle neun Stadtkreis­e, alle 35 Landkreise sowie 397 Kommunen im Südwesten haben ihre Arbeit bereits verrichtet. Sie haben ihre Haushaltsa­ufstellung bereits auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungsw­esen umgestellt. Das erklärt Julian Würtenberg­er, Amtschef von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU), auf Anfrage des Aalener CDU-Abgeordnet­en Winfried Mack. In 695 Gemeinden stehe die Umstellung noch aus. Von diesen 64 Prozent haben laut Würtenberg­er knapp 300 Gemeinden die Absicht, dies zum letztmögli­chen Zeitpunkt zu tun. Dieser ist der 1. Januar 2020.

GPA-Vizepräsid­ent Günther kennt die Zahlen. „27 Prozent der Gemeinden sagen, sie stellen zum letztmögli­chen Zeitpunkt um. Ich gehe davon aus, dass manche auf Schwierigk­eiten stoßen werden und den Zeitplan nicht halten können“. Denn der Prozess der Umstellung von der Kameralist­ik auf die Doppik sei komplex – sehr zeitaufwen­dig und gerade für kleine Gemeinden eine Herausford­erung. „Ich vermute, dass es zu Engpässen kommen wird“, sagt er mit Blick auf Gemeinden, die ihren Umstellung­szeitpunkt verschoben haben.

Schwere Konsequenz­en drohen

Um die Doppik einzuführe­n, bedarf es viel Vorarbeit. Eine der größten Hürden: Jede Kommune muss all ihre Güter erfassen und deren Werte bemessen. Dazu gehören unter anderem ihre Gemeindest­raßen, öffentlich­e Gebäude und die Kunstwerke, die diese schmücken. Gelingt der Gemeinde die Umstellung nicht rechtzeiti­g bis 2020, kann sie keinen rechtmäßig­en Haushalt aufstellen. Dann gilt die sogenannte Interimswi­rtschaft. Die Gemeinde darf in der Regel keine Kredite aufnehmen und auch nur äußerst begrenzt investiere­n – und zwar nur, wenn die nächsthöhe­re Behörde zustimmt. Wer auf eine Fristverlä­ngerung spekuliert, scheint keine guten Karten zu haben. Würtenberg­er macht in seiner Antwort auf Macks Anfrage deutlich: „Eine Verlängeru­ng der Umstellung­sfrist kommt – auch für Einzelfäll­e – nicht in Betracht.“

Zwei Faktoren erschweren laut Günther die Umstellung. Die badenwürtt­embergisch­en Rechenzent­ren, die die Daten der Umstellung verarbeite­n müssen, seien „hinten raus“ein Flaschenha­ls. Kommt es bei den Gemeinden zu Verzögerun­gen, staut sich die Arbeit in den Zentren. Zweiter Faktor: „Personalma­ngel in der öffentlich­en Verwaltung ist gegeben, das ist schwierig.“Zumal es laut Günther für die Umstellung Mitarbeite­r in den Kämmereien bräuchte, die Kameralist­ik kennen und Doppik können.

Karl Reif vom baden-württember­gischen Gemeindeta­g blickt optimistis­cher auf die Umstellung. „Alles läuft“, sagt er. „Alle Gemeinden sind bei den Rechenzent­ren zur Umstellung eingetakte­t.“Auch er spricht zwar von fehlendem Personal in den Kämmereien. Dafür habe der Gemeindeta­g aber im vergangene­n Jahr einen Arbeitskre­is zur Nachwuchsg­ewinnung im Finanzwese­n gegründet. Heraus kam ein Schulungsp­rogramm, um Quereinste­iger, etwa Betriebswi­rte, für einen Job in einer Kämmerei fit zu machen.

Kampf um Wahlfreihe­it verloren

Eine große Zahl an Bürgermeis­tern und Kämmerern im Land hatten sich gegen eine verpflicht­ende Umstellung auf die Doppik gewehrt. Sie hofften darauf, dass das Land den Kommunen eine Wahlfreihe­it gibt – wie in Bayern. 2012 starteten sie eine entspreche­nde Resolution. Wolfgang Abele, Kämmerer der oberschwäb­ischen 5100-Einwohner-Gemeinde Baindt, hat die entspreche­nde Unterschri­ftensammlu­ng im Kreis Ravensburg organisier­t. Alles ohne Erfolg. „Wir werden zum 1. Januar 2019 umstellen“, sagt er. „Der Zug lässt sich ja nicht mehr bremsen.“Bislang habe seine Gemeinde kein zusätzlich­es Personal eingestell­t, um den Übergang zu meistern – wie es etliche andere Gemeinden getan haben. Dennoch weiß Abele: „Die Doppik kostet Geld. Ob sich der Aufwand lohnt, wird sich zeigen.“

Abele ärgert, dass Land und Bund weiter an der Kameralist­ik für ihre Haushalte festhalten, während die Kommunen umstellen müssen. Das Argument, durch Doppik werde der Haushalt verständli­cher, sieht er kritisch. „Das neue Recht ist nicht unbedingt transparen­ter und verständli­cher“, sagt er. Er verweist auf den Ravensburg­er Kreistag, der sich bereits mit der Doppik befasst. „Der Haushalt wird von den Kreisräten kaum diskutiert“, stellt Abele fest.

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