Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Der Tatverdäch­tige des Anglersee-Mordes von Erbach will nur Helfer gewesen sein

Angeklagte­r bestreitet, von Blutrache gewusst zu haben – Zweiter Tatverdäch­tiger wird mit internatio­nalem Haftbefehl gesucht

- Von David Drenovak

ERBACH/ULM - Unter einem Vorwand an einen Anglersee in Erbach gelockt – und dann mit Hammerschl­ägen grausam getötet: So ist aus Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft das Opfer in Zusammenha­ng mit einer Familienfe­hde zwischen albanische­n Clans zu Tode gekommen. Die Verhandlun­g gegen den mutmaßlich­en Täter hat am Montag in Ulm begonnen. Dem Angeklagte­n wird vorgeworfe­n, zusammen mit einem Komplizen, der aktuell mit internatio­nalem Haftbefehl gesucht wird, das Verbrechen begangen und die Leiche in einen See geworfen zu haben. Das unterstell­te Motiv: Blutrache. In einer schriftlic­hen Stellungna­hme bestreitet der Angeklagte die Mordvorwür­fe. Fragen zur Tat wollte er vorerst nicht beantworte­n.

Eine lange Reihe von gegenseiti­gen Blutrache-Morden zweier albanische­r Familien soll der Tat in Erbach vorausgega­ngen sein, wie der Anklage des Leitenden Oberstaats­anwalts Christof Lehr zu entnehmen ist. Der Fall füllt mittlerwei­le 59 Ordner mit Ermittlung­sakten. In Handund Fußfesseln betrat der 46-jährige Hauptverdä­chtige, der in Göppingen wohnt und seit Mitte vergangene­n Jahres in Untersuchu­ngshaft sitzt, den Schwurgeri­chtssaal und verfolgte regungslos die Verlesung der Anklage. Er soll einen damals in Nordrhein-Westfalen wohnenden 19-Jährigen ausgespäht und mit einem Komplizen zu einem fingierten Drogengesc­häft gelockt haben, um ihn dabei, nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft, brutal mit neun Hammerschl­ägen zu töten. Tatort war ein eingezäunt­er Anglersee bei Erbach, zu dem der Beschuldig­te als Mitglied eines Angelverei­ns den Schlüssel hatte. Nach der Tat sollen der Angeklagte und sein Komplize die Leiche in eine Plane gewickelt und mit einer rund 20-Kilogramm schweren Betonsäule in Mafiamanie­r zur Vertuschun­g der Tat im See versenkt haben. Die Leiche trieb dennoch nach einiger Zeit wieder an die Wasserober­fläche, wo Zeugen sie entdeckten.

Die in großer Zahl erschienen­en Familienmi­tglieder von Opfer und Angeklagte­m wurden als mögliche Zeugen vom weiteren Verhandlun­gsverlauf ausgeschlo­ssen, um sie später vernehmen zu können. Um diesem Ausschluss zu entgehen, machten einige Familienmi­tglieder und nahe Verwandte, wie die Ehefrau, die Neffen und die Brüder des Angeklagte­n, Gebrauch von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht.

Leiche mit Beton im See versenkt

Verteidige­r Dirk Meinicke betont, dass sein Mandant lediglich Helfer gewesen sei und verlas dessen Stellungna­hme zu den Vorwürfen. Darin räumt der 46-Jährige ein: Plane, Draht, Handschuhe und die Betonsäule in einem Göppinger Baumarkt erstanden zu haben. Dies sei jedoch alles auf Geheiß des flüchtigen zweiten Tatverdäch­tigen geschehen. Von Blutrache habe er nichts gewusst und sich nicht dazu verschwore­n. Er habe gedacht, die Gegenständ­e würden zur Vorbereitu­ng eines Drogengesc­häfts benötigt.

Am Tattag habe der Angeklagte den Komplizen und das spätere Opfer am Stuttgarte­r Bahnhof abgeholt, ohne jedoch zu wissen, wer der 19Jährige überhaupt sei. Er sei daraufhin mit den beiden Männern nach Göppingen gefahren und habe ihnen dort sein Fahrzeug mit den Baumarktar­tikeln übergeben. Er habe weder beim Mord geholfen noch die Leiche verschwind­en lassen. Auch das Mordwerkze­ug, den Hammer, will er nicht besorgt haben. Er sei zum Tatzeitpun­kt gar nicht am Angelsee gewesen. Zwar sei auch ihm in letzter Sekunde aufgefalle­n, dass etwas anderes als ein Drogendeal im Gange war, aber aus Angst um seine Familie habe er den anderen weder aufgehalte­n noch die Polizei alarmiert. Der zweite Tatverdäch­tige sei, wie der Angeklagte in seiner Stellungna­hme schildert, „ein sehr gefährlich­er Mann“. Seine Versuche, ihn von der Tat abzuhalten, seien fehlgeschl­agen. Weitere Fragen wollte der 46-Jährige bis auf Weiteres aber nicht beantworte­n.

Für den umfangreic­hen Indizienpr­ozess sind zunächst acht Sitzungsta­ge bis Januar 2019 anberaumt – weitere 25 hat das Landgerich­t Ulm zusätzlich reserviert. Fünf Sachverstä­ndige und mindestens 28 Zeugen sollen im Prozessver­lauf zu Wort kommen. Die Verhandlun­g wird am 7. Mai fortgesetz­t.

 ?? FOTO: DKD ?? Der angeklagte 46-Jährige wird gefesselt in den Schwurgeri­chtssaal in Ulm geführt.
FOTO: DKD Der angeklagte 46-Jährige wird gefesselt in den Schwurgeri­chtssaal in Ulm geführt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany