Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Der Tatverdächtige des Anglersee-Mordes von Erbach will nur Helfer gewesen sein
Angeklagter bestreitet, von Blutrache gewusst zu haben – Zweiter Tatverdächtiger wird mit internationalem Haftbefehl gesucht
ERBACH/ULM - Unter einem Vorwand an einen Anglersee in Erbach gelockt – und dann mit Hammerschlägen grausam getötet: So ist aus Überzeugung der Staatsanwaltschaft das Opfer in Zusammenhang mit einer Familienfehde zwischen albanischen Clans zu Tode gekommen. Die Verhandlung gegen den mutmaßlichen Täter hat am Montag in Ulm begonnen. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, zusammen mit einem Komplizen, der aktuell mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, das Verbrechen begangen und die Leiche in einen See geworfen zu haben. Das unterstellte Motiv: Blutrache. In einer schriftlichen Stellungnahme bestreitet der Angeklagte die Mordvorwürfe. Fragen zur Tat wollte er vorerst nicht beantworten.
Eine lange Reihe von gegenseitigen Blutrache-Morden zweier albanischer Familien soll der Tat in Erbach vorausgegangen sein, wie der Anklage des Leitenden Oberstaatsanwalts Christof Lehr zu entnehmen ist. Der Fall füllt mittlerweile 59 Ordner mit Ermittlungsakten. In Handund Fußfesseln betrat der 46-jährige Hauptverdächtige, der in Göppingen wohnt und seit Mitte vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sitzt, den Schwurgerichtssaal und verfolgte regungslos die Verlesung der Anklage. Er soll einen damals in Nordrhein-Westfalen wohnenden 19-Jährigen ausgespäht und mit einem Komplizen zu einem fingierten Drogengeschäft gelockt haben, um ihn dabei, nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft, brutal mit neun Hammerschlägen zu töten. Tatort war ein eingezäunter Anglersee bei Erbach, zu dem der Beschuldigte als Mitglied eines Angelvereins den Schlüssel hatte. Nach der Tat sollen der Angeklagte und sein Komplize die Leiche in eine Plane gewickelt und mit einer rund 20-Kilogramm schweren Betonsäule in Mafiamanier zur Vertuschung der Tat im See versenkt haben. Die Leiche trieb dennoch nach einiger Zeit wieder an die Wasseroberfläche, wo Zeugen sie entdeckten.
Die in großer Zahl erschienenen Familienmitglieder von Opfer und Angeklagtem wurden als mögliche Zeugen vom weiteren Verhandlungsverlauf ausgeschlossen, um sie später vernehmen zu können. Um diesem Ausschluss zu entgehen, machten einige Familienmitglieder und nahe Verwandte, wie die Ehefrau, die Neffen und die Brüder des Angeklagten, Gebrauch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht.
Leiche mit Beton im See versenkt
Verteidiger Dirk Meinicke betont, dass sein Mandant lediglich Helfer gewesen sei und verlas dessen Stellungnahme zu den Vorwürfen. Darin räumt der 46-Jährige ein: Plane, Draht, Handschuhe und die Betonsäule in einem Göppinger Baumarkt erstanden zu haben. Dies sei jedoch alles auf Geheiß des flüchtigen zweiten Tatverdächtigen geschehen. Von Blutrache habe er nichts gewusst und sich nicht dazu verschworen. Er habe gedacht, die Gegenstände würden zur Vorbereitung eines Drogengeschäfts benötigt.
Am Tattag habe der Angeklagte den Komplizen und das spätere Opfer am Stuttgarter Bahnhof abgeholt, ohne jedoch zu wissen, wer der 19Jährige überhaupt sei. Er sei daraufhin mit den beiden Männern nach Göppingen gefahren und habe ihnen dort sein Fahrzeug mit den Baumarktartikeln übergeben. Er habe weder beim Mord geholfen noch die Leiche verschwinden lassen. Auch das Mordwerkzeug, den Hammer, will er nicht besorgt haben. Er sei zum Tatzeitpunkt gar nicht am Angelsee gewesen. Zwar sei auch ihm in letzter Sekunde aufgefallen, dass etwas anderes als ein Drogendeal im Gange war, aber aus Angst um seine Familie habe er den anderen weder aufgehalten noch die Polizei alarmiert. Der zweite Tatverdächtige sei, wie der Angeklagte in seiner Stellungnahme schildert, „ein sehr gefährlicher Mann“. Seine Versuche, ihn von der Tat abzuhalten, seien fehlgeschlagen. Weitere Fragen wollte der 46-Jährige bis auf Weiteres aber nicht beantworten.
Für den umfangreichen Indizienprozess sind zunächst acht Sitzungstage bis Januar 2019 anberaumt – weitere 25 hat das Landgericht Ulm zusätzlich reserviert. Fünf Sachverständige und mindestens 28 Zeugen sollen im Prozessverlauf zu Wort kommen. Die Verhandlung wird am 7. Mai fortgesetzt.