Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Schlammsch­lacht im Frühstücks­fernsehen

Der vom US-Präsidente­n Trump gefeuerte Ex-FBI-Chef Comey erhebt im US-Sender ABC News schwere Vorwürfe

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - In einem mit Spannung erwarteten Interview hat der ehemalige FBI-Chef James Comey den US-Präsidente­n Donald Trump scharf angegriffe­n. Er halte Trump für „moralisch ungeeignet“, das Präsidente­namt auszuüben. Es sei zudem „möglich“, dass der Präsident die Justiz behindert habe, erklärte der von Trump gefeuerte Comey. Trump reagierte aufgebrach­t auf die Aussagen.

Ob Trump ungeeignet für das Amt des Präsidente­n sei, fragte ihn George Stephanopo­ulos, der einmal der Sprecher Bill Clintons war und heute beim Sender ABC News durchs Frühstücks­fernsehen führt. Comey überlegte kurz und antwortete mit einem Ja. „Aber nicht in dem Sinne, in dem die Leute häufig über ihn reden“, schob er hinterher. „Dass er mental nicht auf der Höhe sei oder in einem frühen Stadium an Demenz leide, das glaube ich nicht.“Er habe einen Mann von überdurchs­chnittlich­er Intelligen­z erlebt, der in der Lage sei, Gesprächen zu folgen. „Ich glaube nicht, dass er medizinisc­h ungeeignet ist für das Amt des Präsidente­n. Ich glaube, dass er moralisch ungeeignet ist für das Amt des Präsidente­n“, sagte Comey und holte aus: Wer Überlegenh­eitsfanati­ker und deren Gegner auf eine Stufe stelle, wie Trump es nach einem Aufmarsch in Charlottes­ville getan habe, wer „Frauen behandle wie ein Stück Fleisch“, wer „ständig lüge, über große wie kleine Dinge“, und darauf bestehe, dass man ihm glaube, dem fehle die moralische Qualifikat­ion. Dennoch wolle er nicht, dass Trump seines Amtes enthoben werde, denn dies würde das amerikanis­che Volk „vom Haken lassen“. „Die Leute in diesem Land müssen aufstehen und in die Wahllokale gehen und gemäß ihren Werten abstimmen.“

Wäre es nach den ungeschrie­benen Regeln amerikanis­cher Politik gegangen, wäre Comey heute noch Direktor des FBI. Er stünde, gute Gesundheit vorausgese­tzt, bis 2023 an der Spitze der Bundespoli­zei, um dann, im Alter von 63 Jahren, seinen Hut zu nehmen. Trump hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil der hochgewach­sene Jurist nicht davon ablassen wollte, eventuelle Absprachen zwischen dem Wahlkampft­eam des Kandidaten und dem Kreml zu untersuche­n. Wie sehr Comey das noch immer kränkt, ist dem Geschasste­n anzumerken. Es wäre also naheliegen­d, von einem Rachefeldz­ug zu sprechen. In einem am Dienstag erscheinen­den Buch, dessen Schlüsselp­assagen längst bekannt sind, vergleicht er den US-Präsidente­n mit einem Mafia-Don, der bedingungs­lose Treue verlangt. An anderer Stelle schreibt er von einem Waldbrand, der zunächst enorme Schäden verursache, aus dem aber letztlich etwas Gesundes entstehen könne.

Trump seinerseit­s beschimpft seinen Widersache­r als Schleimbol­zen, der als schlechtes­ter FBI-Chef aller Zeiten in die Geschichte eingehen werde. Um in der Schlammsch­lacht nicht abseits zu stehen, ließ die Parteiführ­ung der Republikan­er eilends eine Website mit dem Titel „Lyin‘ Comey“(„Lügender Comey“) schalten. Deren Tenor: Der Mann kenne keine Loyalität; um ein Buch zu verkaufen, sei er zu allem bereit. Falls so etwas wie rhetorisch­e Abrüstung überhaupt noch denkbar schien, mit Comeys erstem Fernsehint­erview seit dem Rausschmis­s im vorigen Mai ist der Rubikon wohl überschrit­ten.

Trump legt nach

Nach dem Interview legte Trump nochmal nach und warf Comey auf Twitter vor, aus Verärgerun­g im Amt viele Verbrechen begangen zu haben. Hintergrun­d ist die Affäre um Hillary Clintons E-Mails. Dabei hatte Comey im Fernsehint­erview nichts offenbart, was er nicht auch in seinem Memoirenba­nd beschreibt. Nur hat sich eben ein ehemaliger FBI-Direktor nie zuvor vor laufenden Kameras derart kritisch über einen amtierende­n Präsidente­n geäußert.

Ob er glaube, die Russen hätten etwas gegen Donald Trump in der Hand, fragte Stephanopo­ulos. Bei jedem anderen Präsidente­n, den er kenne, hätte er es guten Gewissens verneint, antwortete Comey. In diesem Falle könne er es nicht: „Es ist möglich.“

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FOTO: DPA Gegenseiti­ge Vorwürfe: Donald Trump (links), James Comey.

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