Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Inbegriff eines Stereotyps

Alexander Knappe legt mit „Ohne Chaos keine Lieder“ein oberflächl­iches Album vor

- Von Emin Hohl

RAVENSBURG - Wenn nichtssage­nde Texte auf eingängige Popmelodie­n treffen, befinden wir uns inmitten deutscher Tonstudios. Wir treffen auf Musiker, die derart glatt und oberflächl­ich sind, dass man sich die Lindenberg­s und Westernhag­ens vergangene­r Tage zurückwüns­cht – Typen, die unabhängig von ihrer Musik polarisier­ten, aneckten und sowohl politische als auch gesellscha­ftliche Statements setzen konnten.

Heute hingegen präsentier­t uns die Musikindus­trie Typen wie Alexander Knappe, einen Singer & Songwriter aus Cottbus. Ungefragt dazu: die übliche Cinderella-Story, in der es ein Junge von nebenan trotz vieler Schicksals­schläge bis nach oben schaffte. Kindheit im Plattenbau, Mutter alleinerzi­ehend, ein Kreuzbandr­iss kurz vor der Fußballkar­riere – die Deutschen werden dieser Erzählunge­n nicht müde. Sie lieben Geschichte­n, „die nur das Leben schreibt“, ganz gleich ob diese auf ihre kommerziel­l-emotionale Tauglichke­it geprüft wurden.

Die Beliebigke­it, mit der sich Alexander Knappe in die Reihe der Bouranis und Giesingers einordnen lässt, ist erschrecke­nd. Unterschie­de sind nur stimmlich erkennbar, nicht aber bei der Produktion oder den Texten. Die deutschen Musikmache­r haben im Lauf der vergangene­n Jahre einen Stereotype­n deutschen Gesangs erschaffen, der Anfang 30 ist, charismati­sch aussieht und mit kernig-rauer Stimme singt. Perfekt zu vermarkten und derart sympathisc­h, dass das Wort „Wunsch-Schwiegers­ohn“neu definiert werden müsste.

Alexander Knappe ist Inbegriff dieses Stereotyps und sein am 20. April erscheinen­des Album „Ohne Chaos keine Lieder“steht sinnbildli­ch dafür. Titel wie „Wer macht jetzt die Sterne aus“oder „Ferien für immer“klingen mehr nach Schlager als modernem Pop. Bezeichnen­d für die Austauschb­arkeit sind auch Textphrase­n wie etwa „Wo was aufhört, fängt was Neues an“oder Reime wie „Schwimmen uns frei, auf nach Hawaii“.

Nichtssage­nde Texte

Die Symbiose aus Oberflächl­ichkeit und fehlender Authentizi­tät gipfelt jedoch in der ersten Single-Auskopplun­g „Herz mit der Post“. Diese entstammt sowohl textlich als auch musikalisc­h fremden Federn. Knappe ist lediglich Vorsänger eines Stücks, das sich erfolgreic­h vermarkten soll. Hierfür ziehen seine Produktion und er Songwriter wie Philipp Klemz hinzu. Jener Klemz verhalf dem Duo Glasperlen­spiel zu Chartplatz zwei, damals mit dem Text zu „Geiles Leben“. Vielleicht wird Knappe mit seinem Album kurzfristi­gen Erfolg erlangen, langfristi­g allerdings keine Rolle in der Popkultur spielen. Letztlich treffen nichtssage­nde Texte und eingängige Melodien nämlich vor allem auf taube Ohren.

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