Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Berlin tritt auf die Bremse
In der Unionsfraktion ist die Stimmung zwischen Skepsis und Ablehnung – Nur die Grünen sind begeistert
BERLIN -Wenn Emmanuel Macron am Donnerstag nach Berlin kommt, wird er nicht auf große Begeisterung stoßen. Bis Juni wollen die deutsche Kanzlerin und Frankreichs Präsident einen gemeinsamen Fahrplan für Europa erarbeiten. Doch während Macron Tempo macht, wird in Berlin von vielen Seiten gebremst. Allen voran von der Unionsfraktion.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt: „Nicht die sind gute Europäer, die ständig mehr Kompetenzen nach Brüssel abgeben wollen.“Dobrindt pocht auf die finanzpolitischen Zuständigkeiten des deutschen Parlaments und zählt schon mal alles auf, was er nicht will: auf keinen Fall eine europäische Einlagensicherung, keine europäische Arbeitslosenversicherung, keine europäischen Steuern und einen EWF nur dann, wenn die nationalen Parlamente das letzte Wort haben. Verwundert zeigt sich daraufhin SPDFraktionschefin Andrea Nahles über die vielen roten Linien, die jetzt eingezogen werden. Schließlich müsse doch klar sein, dass man Europa voranbringen wolle. Die SPD hat Merkel bereits zu einem Machtwort in Sachen Europa aufgefordert.
Merkel zurückhaltend
Merkel unterrichtete die Unionsfraktion, bleibt aber noch zurückhaltend mit einer Bewertung der einzelnen Vorschläge Macrons. Schließlich sind ihr die Widerstände bekannt. Unionshaushaltspolitiker wie Ralph Brinkhaus und Eckhardt Rehberg haben schon mal ein Papier erstellt, das die Forderung nach einer Beteiligung des deutschen Parlaments festhält.
Auch FDP-Chef Christian Lindner sagt: „Für uns als freie Demokraten ist die finanzpolitische Eigenverantwortung der Mitglieder der Eurozone heilig.“FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff zieht das vernichtende Fazit „Die Vorschläge Macrons in der Wirtschafts- und Währungspolitik überzeugen uns nicht.“In der FDP ist man sich sicher, dass die Mehrheit in der CDU das genauso sieht.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) gesteht unterschiedliche Auffassungen in seiner Fraktion ein, meint aber, es geht vor allem um die Intensität der europäischen Reformen. Kauder sagt, gerade der SyrienKonflikt zeige, wie weit Europa noch von einer gemeinsamen Sicherheitsund Außenpolitik entfernt sei. „Wir haben im Koalitionsvertrag einen neuen Aufbruch für Europa definiert“, daran erinnert Kauder seine Leute. Aber er warnt auch vor Tricks. Eine gemeinsame Einlagensicherung im Zuge der Bankenunion sei erst möglich, wenn die Risiken in den Nationalstaaten reduziert sind.
Die Vorsitzende der Linken-Fraktion, Sahra Wagenknecht, hält Macron rundweg für den falschen Impulsgeber für Europa. „Macron bleibt jeden Vorschlag schuldig, wie einer destruktiven Lohndumpingpolitik in der Eurozone ein Riegel vorgeschoben werden könnte.“Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland findet ohnehin, dass weniger Europa besser wäre für Deutschland.
Zeitfenster nutzen
Nur die Grünen springen dem französischen Staatspräsidenten zur Seite. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter fordert die Bundeskanzlerin und die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Union auf, in dieser Woche klare und konkrete Zusagen an Macron zu formulieren. „Das Zeitfenster für Reformen schließt sich. Das historische Projekt Europa darf nicht an nationalem Egoismus und parteipolitischem Kleingeist dieser Regierung scheitern“, warnen die Grünen.