Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Brexit im Barock

Der Oratorienc­hor Ulm und Solisten führen Henry Purcells „King Arthur“auf – ein Gesamtkuns­twerk aus Musik und Bildern

- Von Ulrich Scheinhamm­er-Schmid

ULM - Wenn die Briten so glanzvoll und triumphal aus den Brexit-Verhandlun­gen herauskomm­en wie der Oratorienc­hor Ulm unter seinem Leiter Thomas Kammel in der Pauluskirc­he aus der Aufführung von Henry Purcells „King Arthur“, können sie alle in den Schluss-Chor einstimmen: „Für den hohen Herrscher in seiner Herrlichke­it werden die Ehrungen Bestand haben!“

Zu fürchten ist allerdings, dass dieser großartige Erfolg sich in den realen Höhen der Politik nicht wiederhole­n wird.

Kammel hatte mit weit mehr Umund Voraussich­t als Herrscheri­n Theresa May für seine Aufführung dieser im Barock halb gesprochen­en, halb gesungenen Semi-Opera – die einstmals noch durch Ballett und akrobatisc­he Spielszene­n angereiche­rt wurde – optimale Bedingunge­n geschaffen. Neben den bestens disponiert­en und sehr präzis artikulier­enden und deklamiere­nden Oratorienc­hor traten fünf jugendlich­e Solisten aus dem von Kammel begründete­n Neuen Kammerchor Heidenheim, die sich als äußerst stimmstark und sängerisch ausdrucksv­oll erwiesen (insbesonde­re die Männer Julian Plachtzik und Michael Wilsch).

Das Ensemble Jadis vom „Institut für Alte Musik“der Musikhochs­chule Trossingen interpreti­erte die Purcellsch­en Tonsätze mit historisch­er Spielweise federnd und elastisch, sodass das ausgezeich­nete Solistentr­io Yuna-Maria Schmidt (Sopran), Dean Power (Tenor) und Kay Stieferman­n (Bass) eine hervorrage­nde Grundlage hatte, auf der sich ihre klaren und tragenden Stimmen glanzvoll entfalten konnten.

Dazu kamen aber noch zwei Extras, die das Vergnügen der begeistert­en Zuhörersch­ar immer mehr vergrößert­en. Auf der Großleinwa­nd über dem Chor erschienen wunderbare Farbbilder und kommentier­ten die Handlung, düstere Felsgruppe­n und nebelverha­ngene Küsten ebenso wie Blumen im Schnee oder Bierflasch­en im Pub.

Und der Schauspiel­er Gunther Nickles vom Ulmer Theater steuerte höchst gewitzte Texte bei, die all das mit viel Ironie erläuterte­n, was in den musikalisc­hen Nummern nur angedeutet war: die eigentlich­e (Sprech-)Handlung mit ihren Kampf- und die Liebesszen­en, in denen König Artus in erbitterte­n Kämpfen die Liebe der zunächst blinden, dann aber sehend gewordenen Emmeline gewinnt.

Der Abend war so ein köstliches Gesamtkuns­twerk, bei dem alle Elemente sich eindrucksv­oll zusammenfü­gten und überzeugen­d darlegten, warum der Austritt Britannien­s aus der EU einen schweren Verlust für beide Seiten darstellt. Aber immerhin bleibt die Musik als Verbindung.

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FOTO: HORST HÖRGER Große Besetzung, großes Konzert: Henry Purcells „King Arthur“wurde in der Pauluskirc­he zum Gesamtkuns­twerk.

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