Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Eheberater sind für Menschen in Krisen da
Die Psychologische Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in Neu-Ulm besteht seit 40 Jahren - Warum Paare dort Hilfe suchen
NEU-ULM - 15 Mitarbeiter unterstützen an der Psychologischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Menschen in krisenhaften Situationen. 40 Jahre nach ihrer Gründung ist die Beratungsstelle im Johanneshaus ein Ort, an dem allein im vergangenen Jahr 1500 Personen Rat und Hilfe suchten.
Als die Beratungsstelle – als Außenstelle Neu-Ulm der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in Augsburg – 1978 gegründet wurde, beschäftigte sie vier Mitarbeiter; 1996 wurde die Neu-Ulmer Außenstelle eine selbstständige Hauptstelle.
Heute um 17 Uhr lädt die Beratungsstelle ihre Netzwerkpartner, aber auch Menschen, die derzeit in Beratung sind, zu einer Feierstunde, zu der auch Bischofsvikar Bertram Meier kommen wird.
Im Anschluss spricht die Paartherapeutin Marianne Walzer ab 19 Uhr in einem Festvortrag über „Wie die Liebe bleibt“.
Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die die Ehe-, Familien- und Lebensberater benötigen, ist jene, einschätzen zu können, wie viel Potenzial gerade bei Paarberatungen die beiden Partner mitbringen: Ist da noch ein Rest des Gefühls, dass der Partner oder die Partnerin ein liebenswerter Mensch ist? Oder sind die Verletzungen so tief und die Wut so groß, dass keine Bereitschaft mehr besteht, das Gute im anderen zu sehen? Denn nur wenn in beiden Partnern noch die Bereitschaft lebt, die Beziehung zu tragen, können sie in der Beratung Zukunftskonzepte entwickeln.
Woran Beziehungen zumeist scheitern, weiß die Diplom-Psychologin Elisabeth Kohn, Leiterin der Neu-Ulmer Beratungsstelle: Ein Ungleichgewicht im Geben und Nehmen innerhalb der Beziehung, ein Ungleichgewicht in Dominanz und Unterdrückung schädigt die Beziehung schleichend, aber nachhaltig. Ein Defizit entsteht zumindest beim „unterlegenen“Partner, und häufig kommt dann ein Dritter ins Spiel, der genau diese Lücke füllt.
In vielen Fällen der Paarberatung begegnet sie Paaren, erklärt Elisabeth Kohn, bei denen einer der Partner den Verdacht hat, dass der andere eine außereheliche Beziehung führt. „Es gilt dann mit Vorsicht, eine Situation zu schaffen, in der sich der Partner offenbaren kann“, erklärt die Psychologin. Es sei viel zu belastend für alle drei beteiligten Personen, wenn eine solche Situation länger dauert. Soll die Beziehung des ursprünglichen Paares weiter bestehen, müssten beide lernen, darüber zu sprechen, wie die Defizite entstanden. Die Beratung verläuft aber ergebnisoffen.
Ob die Wende gelingt, ist offen
Etwa bei einem Drittel der Paare, die in die Beratungsstelle kommen, gelingt eine Wende zum Positiven. Bei einem weiteren Drittel bleibt der Status quo der Beziehung erhalten, bei einem weiteren Drittel ist die Situation derart verfahren, dass die Berater nicht helfen können.
Deutlich einfacher gelingt Beratung bei Menschen, die keine Paarbeziehung leben – bei Eltern und ihren erwachsenen Kindern beispielsweise, bei Einzelpersonen in Lebensfragen oder bei Geschwistern, unter denen häufig in der Phase des Alters und Sterbens der Eltern alte Konflikte und Eifersüchteleien aufbrechen. Gerade die Situation, die Hinterlassenschaften der Eltern aufteilen zu müssen, kann unter Geschwistern alte Empfindungen hochkochen lassen, dass ein Bruder oder eine Schwester von den Eltern mehr geliebt worden oder bevorzugt worden sei, sagt Elisabeth Kohn. Etwa fünf Besuche in der Beratungsstelle seien der Durchschnitt, schätzt sie – wobei es Menschen gibt, die nur ein oder zwei Mal kommen, während andere drei oder vier Jahre lang (mit größer werdenden Abständen) zu Gesprächen in die Beratungsstelle gehen.