Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
La Bestia Jupp
Heynckes und seine Bayern wollen sich von Titelverteidiger Madrid nicht aufhalten lassen
MÜNCHEN - Wann sind die Bayern unter Jupp Heynckes zuletzt in einem Halbfinale gescheitert? Eine Frage für jedes Nerd-Quiz, die Antwort findet man im Museum. Am 24. April 1991 reichte es für die Bayern im Halbfinalrückspiel des Europapokals der Landesmeister bei Roter Stern Belgrad nur zu einem 2:2. Durch die 1:2-Hinspielpleite verpassten Heynckes & Co. das Endspiel.
2012 (gegen Real Madrid) und 2013 (gegen den FC Barcelona) führte der Trainer Bayern ins Finale, übrigens auch in die DFB-Pokal-Finals 2012, 2013 und 2018. Also? „Dass der Trainer immer ins Finale kommt?“, wiederholte Jérôme Boateng die Frage eines Reporters und meinte: „Dann wissen wir ja, in welche Richtung es geht.“Wisst ihr Bescheid, Real! An Jupp führt kein Weg vorbei. Die Bayern wollen unbedingt nach Kiew, das Champions-League-Endspiel am 26. Mai erreichen. Gegen die Königlichen will man mit dem Hinspiel heute (20.45 Uhr, ZDF und Sky live) die Grundlage schaffen. Gegen den Titelverteidiger, der zum dritten Mal hintereinander den Pott holen will. Gegen das Team, das zum vierten Mal in fünf Jahren triumphieren möchte. Gegen den Favoriten.
Halt – nicht für Heynckes. „Für mich gibt es keinen Favoriten“, sagte er über das zwölfte K.o.-Duell der Bayern mit Real, machte eine Pause und fügte hinzu: „Aber ich habe ein gutes Gefühl.“Der 72-Jährige vermittelt den Eindruck: Wir schaffen das. Heynckes sprach ruhig, völlig klar und überzeugt von sich, seinem Ansatz und natürlich seiner Mannschaft. „Ich bin sehr, sehr optimistisch für die zwei Spiele. Wir haben eine hervorragende Stimmung in der Mannschaft.“An diesem Punkt gab Heynckes Einblicke in sein Credo, er hielt ein kleines Referat: „Die Champions League gewinnt die Mannschaft, die am homogensten ist, die gemeinsam den besten Fußball spielt, die geschlossen auftritt, die harmoniert, sehr diszipliniert und kämpferisch spielt. Sie können keinen Champions-League-Titel kaufen. Eine Mannschaft muss wachsen, muss sich zwischenmenschlich verstehen und sich respektieren. Bei den Mannschaften, die ich betreut habe, ob 1998 Real oder 2013 Bayern, war das der Fall, sie hatten beide diesen unbedingten Willen. Wir sind jetzt in einer ähnlichen Situation. Aber: Auf der anderen Seite steht ein Gegner, und der heißt: Real Madrid. Doch Wille kann Berge versetzen.“
Das ist die Message. Für die Öffentlichkeit, für seine Mannschaft. Und: Jupp kann Real bezwingen. Er, der Angstmacher der Madrilenen. 2012 warf Heynckes die Königlichen aus dem Halbfinale, im Bernabéu triumphierten seine Bayern im Elfmeterschießen. „Wenn jemand Real Madrid schlagen kann, dann der FC Bayern“, sagte Vorstandsboss KarlHeinz Rummenigge dieser Tage. Er wird an Jupp Heynckes gedacht haben. Er ist der X-Faktor dieses Halbfinals: La Bestia Jupp.
Die schwarze Bestie – dieser Begriff wird in Madrid für den FC Bayern verwendet. Weil er der Angstgegner schlechthin ist. Der Ursprung dieses Real fressenden Monsters geht auf das Jahr 1980 zurück, als Bayern die Königlichen in einem Freundschaftsspiel mit 9:1 demütigte. Zur personifizierten „Bestia negra“wurde 2007 Bayern-Torhüter Oliver Kahn: Vor dem erneuten Duell titelt „Marca“, ein martialisches Foto des Torhüters über die ganze Seite zeigend: „Das ist der Feind!“2014 mit Pep Guardiola und vergangene Saison mit Carlo Ancelotti war die bayerische Bestie in den Duellen mit den Königlichen ein Kätzchen, das nur ein wenig kratzte, aber nicht zubiss. Real kam jeweils weiter.
Heynckes, der Angstmacher
Diesmal ist die Stimmung eine ganz andere. Wegen Heynckes, der mit Amtsantritt am 9. Oktober den Turnaround im ganzen Club herbeiführte und mit aller Macht an der Renaissance von 2013, dem bislang einmaligen Triple-Jahr, arbeitete. Seinen Führungsstil, gestern und heute, beschreibt er so: „Es sind Menschen, die auf dem Feld stehen. Deswegen denke ich, dass meine große Stärke neben dem Fachwissen die Menschenführung ist.“
Die Spieler zahlen es ihm zurück, wollen ihm den bestmöglichen endgültigen Abschied ins Rentnerdasein bereiten. Dass er im Halbfinale wieder auf seinen Ex-Verein trifft, mit dem er 1998 nach 32 Jahren ewiger Durststrecke wieder den Henkelpott gewinnen konnte, ist eine besondere Fußnote des Schicksals. Weil Heynckes in jenem Jahr mit Real nicht Meister wurde, musste er gehen.
„Dass es noch einmal zu diesem Aufeinandertreffen kommt, ist eine Herausforderung, die ich mir so nicht mehr erwartet hatte. Ich wollte ja eigentlich nicht noch einmal auf die Trainerbank.“Erstens kommt es anders ... Zudem ist seine Marschrichtung eindeutig: „Wir spielen eine überragende Saison und die wollen wir damit krönen, dass wir nächsten Dienstag ins Finale einziehen.“Präsident Uli Hoeneß, der Jupp-Wiederentdecker, benennt sein Gefühl mit „vorsichtigem Optimismus“, glaubt: „Wir sind in einer besseren Verfassung als letztes Jahr um diese Zeit.“Wegen Jupp.