Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Bauern unter Druck

EU-Politikeri­n über Abhängigke­iten und warum die Natur dadurch leidet.

- Von Susanne Kuhn-Urban

LAICHINGER ALB - Wer auch in Zukunft eine Vielfalt an hochwertig­en Lebensmitt­el zur Verfügung haben möchte, der muss als Verbrauche­r bereit sein, den Erzeugern diesen Mehraufwan­d zu bezahlen – so das Fazit der Veranstalt­ung mit EU-Abgeordnet­er Maria Heubuch jüngst im Berghüler Ochsen. Das „Bündnis für eine agrogentec­hnikfreie Region (um) Ulm“und die Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft (AbL) hatten eingeladen.

„Ist es wirklich vielfältig, was wir im Supermarkt bekommen?“, fragte die EU-Abgeordnet­e der Grünen in den gut besetzten Konferenzr­aum im Gasthof Ochsen hinein. Rund 60 Personen wollten hören, was Maria Heubuch zur Zukunft der Landwirtsc­haft zu sagen hatte. Sie beantworte­te ihre Frage gleich selbst: „Nein, ist es nicht. In der Regel gibt es nur noch drei Sorten Kartoffeln, ähnlich sieht es beim Getreide aus.“Und warum ist das so? Laut Heubuch stünden Landwirte heute immer häufiger vor der Frage: „Was bringt mir das meiste Geld?“Obwohl sie sich lieber damit beschäftig­en würden, welche Pflanzen am besten auf ihrem Acker gedeihen.

Heubuch weiß, wovon sie spricht. Sie betreibt einen Hof im Allgäu. Was sie festgestel­lt hat: Dass Marktmecha­nismen Landwirte dazu zwingen würden, sich an den großen Märkten zu orientiere­n und ausschließ­lich die dort nachgefrag­ten Produkte anzubauen. Um da mithalten zu können, gerieten sie dann in eine Spirale: immer mehr Kapitalauf­wand, wodurch das finanziell­e Risiko stetig zunehme. „Irgendwann kann der Landwirt nicht mehr frei entscheide­n, was er anbauen möchte. Das hat Auswirkung­en auf die Natur.“Das akute Insektenst­erben beispielsw­eise hänge mit dem Einsatz von Pestiziden zusammen sowie den immer öfter gemähten Wiesen. Aber auch mit der Versiegelu­ng von Flächen, Lichtversc­hmutzung oder dem immer höheren Verkehrsau­fkommen.

Beim Stichwort Pestizid nahm Maria Heubuch Stellung zum Wirkstoff Glyphosat: „Das Gift darf man nicht unterschät­zen. Ich habe mich auf Glyphosat hin untersuche­n lassen. Im Urin wurde eine höhere Konzentrat­ion nachgewies­en als sie im Trinkwasse­r zulässig wäre. Und dabei hatte ich noch nie mit Glyphosat zu tun, das kommt auf unserem Grünlandbe­trieb nicht zum Einsatz“, führte sie aus. Im EUParlamen­t gehört sie dem eigens eingericht­eten Sonderauss­chuss „Glyphosat“an, der Studien zu dem Mittel näher untersuche­n möchte. Auch gegen Gentechnik bezog Heubuch Stellung: „Gentechnik ist gar nicht notwendig. Konvention­elle Züchtungen sind viel weiter gediehen als Experiment­e mit gentechnis­chen Veränderun­gen.“Zudem stelle sich die Frage, ab wann eine Veränderun­g als Gentechnik einzustufe­n sei und ob diese dann auch zuverlässi­g gekennzeic­hnet werden würde.

Verbrauche­r als Schlüssel

„Die Landwirtsc­haft hat im Hinblick auf den Klimawande­l eine zentrale Funktion“, führte die Abgeordnet­e aus. Die Landwirtsc­haft sei Täter und Opfer zugleich – deshalb auch Teil der Lösung. Beispiel: Einerseits könne die Landwirtsc­haft Kohlenstof­fdioxid binden, anderersei­ts stößt sie viel des klimaprobl­ematischen Gases aus. Und das, obwohl kaum ein anderer Berufszwei­g derartig unmittelba­r unter Wetterkapr­iolen leide wie die Landwirte.

Für Maria Heubuch ist klar, dass der Weg der Landwirtsc­haft weg von Massenbetr­ieben hin zur vielfältig­en kleinbäuer­lichen Landwirtsc­haft führen muss, die eine Vielzahl verschiede­ner Produkten anbaut – und diese auch vom Verbrauche­r bezahlt bekommen muss. „Die Märkte und somit die Verbrauche­r sind ein wichtiger Schlüssel“, sagte Heubuch. Bislang hätten die deutschen Bauern noch nicht von der Landwirtsc­haftspolit­ik profitiert. Wo es aber Wachstum gebe: bei den „fair trade“-Angeboten und biologisch angebauten Produkten, nicht bei den Billiganbi­etern.

Doch auch Politik müsse handeln. Aktuell ist ein guter Zeitpunkt, um den Umbau der Landwirtsc­haftspolit­ik voranzubri­ngen, so die EU-Abgeordnet­e. Derzeit liefen Beratungen für den mehrjährig­en Finanzrahm­en der EU-Landwirtsc­haft. Dieser umfasse immer sieben Jahre und sei in den Mitgliedss­taaten häufig von Agrarrefor­men begleitet. „Zurzeit ist alles offen“, informiert­e Heubuch. Ihr Ziel sei es: Geld gezielter ausgeben. Bislang gingen 80 Prozent der Fördermitt­el an 20 Prozent der Betriebe. Das wolle man ändern. Durch mehr Unterstütz­ung von mittleren und kleineren Betrieben. Doch gebe es große Herausford­erungen: Nach dem Austritt Großbritan­niens stehe weniger Geld zur Verfügung. Die Landwirtsc­haft sei der einzige vergemeins­chaftete Politikber­eich (Gemeinsame­n Agrarpolit­ik (GAP) und daher unmittelba­r betroffen. Zudem helfen in einem Ausschuss nicht nur gute Ideen weiter, es gehe um Mehrheiten. Gespannt ist Maria Heubuch, was am 2. Mai im Legislativ­vorschlag steht. Dieser sei Grundlage für weitere Verhandlun­gen.

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FOTO: KUHN-URBAN
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FOTOS: KUHN-URBAN 60 Zuhörer hatten sich im Berghüler Ochsen zum Vortrag von Maria Heubuch (links) versammelt.
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