Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bauern unter Druck
EU-Politikerin über Abhängigkeiten und warum die Natur dadurch leidet.
LAICHINGER ALB - Wer auch in Zukunft eine Vielfalt an hochwertigen Lebensmittel zur Verfügung haben möchte, der muss als Verbraucher bereit sein, den Erzeugern diesen Mehraufwand zu bezahlen – so das Fazit der Veranstaltung mit EU-Abgeordneter Maria Heubuch jüngst im Berghüler Ochsen. Das „Bündnis für eine agrogentechnikfreie Region (um) Ulm“und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hatten eingeladen.
„Ist es wirklich vielfältig, was wir im Supermarkt bekommen?“, fragte die EU-Abgeordnete der Grünen in den gut besetzten Konferenzraum im Gasthof Ochsen hinein. Rund 60 Personen wollten hören, was Maria Heubuch zur Zukunft der Landwirtschaft zu sagen hatte. Sie beantwortete ihre Frage gleich selbst: „Nein, ist es nicht. In der Regel gibt es nur noch drei Sorten Kartoffeln, ähnlich sieht es beim Getreide aus.“Und warum ist das so? Laut Heubuch stünden Landwirte heute immer häufiger vor der Frage: „Was bringt mir das meiste Geld?“Obwohl sie sich lieber damit beschäftigen würden, welche Pflanzen am besten auf ihrem Acker gedeihen.
Heubuch weiß, wovon sie spricht. Sie betreibt einen Hof im Allgäu. Was sie festgestellt hat: Dass Marktmechanismen Landwirte dazu zwingen würden, sich an den großen Märkten zu orientieren und ausschließlich die dort nachgefragten Produkte anzubauen. Um da mithalten zu können, gerieten sie dann in eine Spirale: immer mehr Kapitalaufwand, wodurch das finanzielle Risiko stetig zunehme. „Irgendwann kann der Landwirt nicht mehr frei entscheiden, was er anbauen möchte. Das hat Auswirkungen auf die Natur.“Das akute Insektensterben beispielsweise hänge mit dem Einsatz von Pestiziden zusammen sowie den immer öfter gemähten Wiesen. Aber auch mit der Versiegelung von Flächen, Lichtverschmutzung oder dem immer höheren Verkehrsaufkommen.
Beim Stichwort Pestizid nahm Maria Heubuch Stellung zum Wirkstoff Glyphosat: „Das Gift darf man nicht unterschätzen. Ich habe mich auf Glyphosat hin untersuchen lassen. Im Urin wurde eine höhere Konzentration nachgewiesen als sie im Trinkwasser zulässig wäre. Und dabei hatte ich noch nie mit Glyphosat zu tun, das kommt auf unserem Grünlandbetrieb nicht zum Einsatz“, führte sie aus. Im EUParlament gehört sie dem eigens eingerichteten Sonderausschuss „Glyphosat“an, der Studien zu dem Mittel näher untersuchen möchte. Auch gegen Gentechnik bezog Heubuch Stellung: „Gentechnik ist gar nicht notwendig. Konventionelle Züchtungen sind viel weiter gediehen als Experimente mit gentechnischen Veränderungen.“Zudem stelle sich die Frage, ab wann eine Veränderung als Gentechnik einzustufen sei und ob diese dann auch zuverlässig gekennzeichnet werden würde.
Verbraucher als Schlüssel
„Die Landwirtschaft hat im Hinblick auf den Klimawandel eine zentrale Funktion“, führte die Abgeordnete aus. Die Landwirtschaft sei Täter und Opfer zugleich – deshalb auch Teil der Lösung. Beispiel: Einerseits könne die Landwirtschaft Kohlenstoffdioxid binden, andererseits stößt sie viel des klimaproblematischen Gases aus. Und das, obwohl kaum ein anderer Berufszweig derartig unmittelbar unter Wetterkapriolen leide wie die Landwirte.
Für Maria Heubuch ist klar, dass der Weg der Landwirtschaft weg von Massenbetrieben hin zur vielfältigen kleinbäuerlichen Landwirtschaft führen muss, die eine Vielzahl verschiedener Produkten anbaut – und diese auch vom Verbraucher bezahlt bekommen muss. „Die Märkte und somit die Verbraucher sind ein wichtiger Schlüssel“, sagte Heubuch. Bislang hätten die deutschen Bauern noch nicht von der Landwirtschaftspolitik profitiert. Wo es aber Wachstum gebe: bei den „fair trade“-Angeboten und biologisch angebauten Produkten, nicht bei den Billiganbietern.
Doch auch Politik müsse handeln. Aktuell ist ein guter Zeitpunkt, um den Umbau der Landwirtschaftspolitik voranzubringen, so die EU-Abgeordnete. Derzeit liefen Beratungen für den mehrjährigen Finanzrahmen der EU-Landwirtschaft. Dieser umfasse immer sieben Jahre und sei in den Mitgliedsstaaten häufig von Agrarreformen begleitet. „Zurzeit ist alles offen“, informierte Heubuch. Ihr Ziel sei es: Geld gezielter ausgeben. Bislang gingen 80 Prozent der Fördermittel an 20 Prozent der Betriebe. Das wolle man ändern. Durch mehr Unterstützung von mittleren und kleineren Betrieben. Doch gebe es große Herausforderungen: Nach dem Austritt Großbritanniens stehe weniger Geld zur Verfügung. Die Landwirtschaft sei der einzige vergemeinschaftete Politikbereich (Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und daher unmittelbar betroffen. Zudem helfen in einem Ausschuss nicht nur gute Ideen weiter, es gehe um Mehrheiten. Gespannt ist Maria Heubuch, was am 2. Mai im Legislativvorschlag steht. Dieser sei Grundlage für weitere Verhandlungen.