Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Bayerns Boateng droht WM-Aus
Zwei „Eiertore“und drei Bayern-Verletzte – Lewandowski-Kritik nach Niederlage gegen Madrid
MÜNCHEN (falx) - Nationalspieler Jérôme Boateng muss um die Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland bangen. Der Verteidiger vom FC Bayern München hatte sich am Mittwochabend beim 1:2 im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid eine „strukturelle Verletzung der Adduktoren-Muskulatur im linken Oberschenkel“zugezogen. Der 29-Jährige fällt wochenlang aus.
MÜNCHEN - Ohne ein Wort zu sagen, den Blick auf den Boden gerichtet, trottete Robert Lewandowski dem Ausgang entgegen. Alle „Robert, Robert“-Rufe verklangen. Der Torjäger wollte sie nach der bitteren 1:2-(1:1)-Niederlage seiner Bayern im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid nicht hören – und das aus guten Grund. Unangenehm hätten die Fragen für den abgetauchten Torjäger ausfallen können, der die Bundesliga dominiert, im Hinspiel der Königsklasse jedoch wieder einmal unsichtbar war. Zweikämpfe gewann der Pole, setzte sich auch im Strafraum gut durch, doch versagten in den entscheidenden Momenten – von denen es einige gab – die Nerven.
Sky-Experte Dietmar Hamann schrieb: „Wo war Lewandowski, als es gegen Real Madrid wirklich drauf ankam? Nicht da!“Und Bayern-Legende Oliver Kahn merkte in Richtung Lewandowski an: „ Ich sehe ihn in diesen Spielen irgendwie zu wenig.“Trainer Jupp Heynckes blieb dagegen diplomatisch: „Dass ein Club wie Real Madrid so viel zulässt, ist sehr selten“, sagte der 72-Jährige. „Aber wir waren nicht so effizient, wie wir das gewohnt sind.“Durchaus Worte, die man als Kritik an der Offensivabteilung auffassen konnte. Allgemein waren sich die Münchener Akteure nach dem Spiel einig. Superstar Cristiano Ronaldo ausgeschaltet, die Partie dominiert und doch am Ende ohne etwas Zählbares in der Hand. Und immer wieder ging es um das eine Thema: „Dass das heute gut war, hat jeder gesehen. Aber das Wichtigste, was im Fußball zu tun ist, haben wir nicht gemacht: Tore schießen. Es ist auch Wut dabei auf uns selber“, sagte Kapitän Thomas Müller: „Real Madrid sitzt in der Kabine und weiß selbst nicht, warum sie 2:1 gewonnen haben.“Die beiden Abschlüsse von Marcelo (44.) und Marco Asensio (57.) seien zwar „super gemacht, aber ansonsten haben wir sie gut im Griff gehabt“.
Niklas Süle sprach von „zwei Eiertoren“und meinte sogar: „Wenn wir das 5:2 gewinnen, muss sich Real nicht beschweren. So ein schwaches Real habe ich in München noch nie gesehen“– und doch ließen die Bundesliga-Dominatoren die Chance verstreichen. Nur eine unglückliche Aneinanderreihung von Zufällen und Schnitzern, wie der von Rafinha, der zum zweiten Gegentor führte, oder doch mehr? Real machte ungewohnte Fehler, ließ Räume, bot einiges an, die Bayern aber nahmen das nicht an. Bayern ließ defensiv weniger zu, aber Real nahm das dankbar an. Führungstorschütze Joshua Kimmich sagte dementsprechend bedient: „Die schießen zweimal aufs Tor und zweimal klingelt es. Das ist auch Qualität. Wir haben Chancen und machen sie nicht.“Warum das so war? „Das ist schwer zu erklären“, so Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
Die Bayern hätten die Allianz Arena also eigentlich als Sieger verlassen müssen. „Wir haben nicht unser bestes Spiel gezeigt“, gab Reals deutscher Weltmeister Toni Kroos zu. Ronaldo tauchte ab, dennoch reichte es für eine gute Ausgangslage.
Nach Abpfiff sei in der BayernKabine dennoch nur Positives gesprochen worden. Die Hoffnung stirbt also zuletzt, auch wenn sich die Ausgangsposition vor der entscheidenden Partie am Dienstag durch drei verletzte Stars zusätzlich verschlechtert hat: Jérôme Boateng erlitt eine „strukturelle Verletzung der Adduktoren-Muskulatur im linken Oberschenkel“. Der 29-Jährige fällt kurz vor der WM in Russland mehrere Wochen aus. Auch Arjen Robben humpelte kurz nach Spielbeginn vom Rasen. Der Oberschenkel streikte. Javi Martínez erlitt eine Schädelprellung, muss aber nur zwei Tage mit dem Training aussetzen. „Es nimmt uns Optionen“, sagte Müller mit Blick auf Boateng und Robben.
Der richtige Zeitpunkt also, um Durchhalteparolen auszupacken. „Wir können auch im Estadio Santiago Bernabéu ein Riesenspiel machen“, ist sich Süle sicher. Franck Ribéry, der mit 35 Jahren viel Dampf gemacht hatte, äußerte sich martialisch: „Die Schlacht ist verloren, aber der Krieg ist nicht vorbei.“Thomas Müller garnierte seine Hoffnung auf die Triple-Chance noch mit einem Appell an den Geist der Mannschaft: „Am Dienstag werden wir in Madrid sehen, ob wir den Arsch in der Hose haben oder es eine mentale Sache ist“, schob aber beschwichtigend hinterher: „Man sieht immer wieder, welche verrückten Dinge passieren können.“Doch braucht es für jedes Wunder vor allem eines – Tore.
„Wenn wir das 5:2 gewinnen, muss sich Real nicht beschweren.“Niklas Süle