Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Abwerbeprä­mien für Hebammen

Bei Bürgeranhö­rung zur Zukunft der Geburtshil­fe der Münsinger Albklinik zeigt sich: Übergangsz­eit ist Problem

- Von Ulrike Oelkuch

MÜNSINGEN - Acht Fachärzte zu finden, die vielleicht schon zum Jahreswech­sel die seit dieser Woche auf Eis gelegte Geburtshil­fe an der Münsinger Albklinik fortführen, ist nicht die einzige Herausford­erung, die sich dem Landkreis als Träger auch der Ermstalkli­nik in Bad Urach sowie der Klinik am Steinenber­g in Reutlingen stellt. Um eine Chance zu haben auf dem europaweit äußerst dünn besetzten Stellenmar­kt für Mediziner, muss ein völlig neues Konzept her: eine „Biosphären­klinik“, die auch Gebärende aus dem weiten Umfeld anzieht – Ziel sind an der Albklinik pro Jahr 700 Geburten oder noch mehr.

„Wir müssen hier weiter menschlich­e Medizin anbieten“, stützt sich Münsingens Bürgermeis­ter Mike Münzing auf den besonders familienfr­eundlichen Ruf, den sich die Geburtshil­fe an der Albklinik bisher schon erworben habe. Aber auch auf ein noch zu entwickeln­des Profil, mit dem man es sogar mit der Filderklin­ik aufnehmen könne. Für eine Geburt in diesem anthroposo­phischen Haus nähmen viele Frauen sehr weite Anfahrtswe­ge in Kauf. Landrat Thomas Reumann, der bei einer Bürgeranhö­rung in der voll besetzten Alenbergha­lle am Mittwochab­end zunächst noch einmal einen „Blick zurück“auf die erfolglos geendeten Verhandlun­gen mit den beiden bisherigen Belegärzte­n geworfen und betont hatte, die am 26. März vom Landeskran­kenhaus-Ausschuss für Münsingen genehmigte Hauptabtei­lung unbedingt umsetzen zu wollen, sicherte zu, bei der Suche nach Ärzten alle Hebel in Bewegung zu setzen: „Wir tun alles, aber ich kann Ihnen einen Erfolg nicht verspreche­n.“

Doch weil es nicht allein gute Ärzte sind, die eine erfolgreic­he Arbeit ausmachen, liegt dem Landrat, alles daran, auch das bisherige Hebammente­am bis zu einer Wiedereröf­fnung der Münsinger Geburtshil­fe bei der Stange zu halten. Denn gerade Hebammen würden überall „händeringe­nd gesucht, da gibt es sogar Abwerbeprä­mien von mehreren Tausend Euro“, was ihm auch Antje Buck bestätigt hat als Sprecherin des Münsinger Geburtshil­feteams.

Alle Hebammen, auch die bislang in Teilzeit arbeitende­n, würden für die jetzt beginnende Übergangsz­eit von der Klinik am Steinenber­g in Reutlingen übernommen: Man habe bereits gute Ideen entwickelt und der Klinik-Aufsichtsr­at allem zugestimmt, brandete bei dieser Nachricht großer Applaus in der Alenbergha­lle auf. Und: „Nein, wir haben heute noch keine fertige Lösung. Aber eine Chance“, die man auf jeden Fall nutzen wolle, sagte der sich den ganzen Abend über recht locker gebende Reumann.

Wie immer in letzter Zeit bei Diskussion­en darüber, wie sich eine „Übergangsz­eit“in der Albklinik bis zum Aufbau einer Hauptabtei­lung gestalten lässt, kam das Thema „Unterstütz­ung aus Reutlingen“aufs Tapet. Am Steinenber­g habe man ja wohl Leute genug und könnte, so eine Idee von Eberhard Rapp von der Bürgerinit­iative für das Krankenhau­s, „zwei bis drei Ärzte auf die Alb schicken“. Könne er definitiv nicht, stellte Chefarzt Peter Kristen klar, in dessen Abteilung rund 2100 Entbindung­en plus 2400 gynäkologi­sche OPs stattfinde­n, zumal auch er viele in Teilzeit arbeitende Ärzte auf seiner Station und mit Engpässe zu kämpfen habe, weil laut einzuhalte­ndem Arbeitssch­utzgesetz bereits ein Bereitscha­ftsdienst als geleistete Zeit zu werten sei. Probleme über Probleme also. Und dennoch: „Vielleicht haben wir Glück“, ist auch Thomas Heinzelman­n, Münsingens Pflegedien­stleiter und Vize in dieser Funktion für alle drei Krankenhäu­ser im Landkreis Reutlingen noch immer optimistis­ch, dass die Geburtshil­fe wieder zurück nach Münsingen kommt.

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