Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Raus aus der Routinefalle
Oft bietet der Berufsalltag wenig neue Herausforderungen – Wie man Langeweile und Frust verhindern kann
Jeden Tag die gleichen Aufgaben, die gleichen Abläufe, die gleichen Anforderungen: Viele Menschen frustriert die Routine in ihrem Job. Ihnen fehlt die Herausforderung, sie erkennen keine persönliche Weiterentwicklung, die täglichen Wiederholungen ermüden. Welchen Ausweg gibt es aus der Routinefalle? Und woran erkennt man, wenn aus simplem Frust ein echtes Risiko wird?
„Es passiert oft, dass Mitarbeiter von ihrer Arbeit gelangweilt sind obwohl sie eigentlich viel zu tun haben“, sagt Corinn Schmidt, Personalund Businesscoach aus Erfurt. „Einerseits müssen wir heute ständig erreichbar sein und jederzeit Antworten geben können, andererseits wiederholen sich immer die gleichen Themen.“Also löst die lange To-doListe Stress aus, während die inhaltliche Routine für Langeweile sorgt. Beides wirkt auf Dauer belastend.
Routineaufgaben bearbeitet der Körper auf energiesparende Art, damit im Ernstfall genug Ressourcen für neue Herausforderungen bereitstehen. „Deshalb versucht das Gehirn, Tätigkeiten, die wir häufig erledigen, in das sogenannte System 1 zu verlagern“, erklärt Tom Diesbrock, Psychologe und Autor aus Hamburg. „Das arbeitet im Hintergrund und sehr energieeffizient. So wie das Autofahren in der Fahrschule noch extrem stressig war und wir es später ganz nebenbei erledigen können.“
Automatisiertes Arbeiten lastet das Gehirn nicht aus
Das ist praktisch, hat im Joballtag aber einen Nachteil: Das automatisierte Arbeiten lastet das Gehirn nicht aus, es möchte sich nebenbei noch mit anderen Themen befassen – eine Folge davon sind Konzentrationsprobleme. „Erst wenn wir vor neue oder auch überraschende Aufgaben gestellt werden, schaltet sich das System 2 an, das bewusst und differenziert funktioniert“, sagt Diesbrock. „Dann sind wir wach und erleben viel aufmerksamer, was wir tun.“
Nur wenige Berufstätige begegnen im Alltag aber ständig neuen Herausforderungen, die das System 2 ansprechen. Nicht immer ist das ein Problem. „Wie sehr man unter der Routine leidet, hängt stark von der Persönlichkeit ab“, sagt die Psychologin Olivia vor dem Brocke. „Es gibt Menschen, die sehr offen für neue Erfahrungen sind, sie reisen zum Beispiel privat ständig in neue Länder. Andere mögen Routine und fahren immer in den gleichen Ferienort.“Wer Gewohnheiten schätzt, empfindet auch Wiederholungen im Job als angenehm.
Auch der abenteuerlustige Persönlichkeitstyp muss aber nicht unter der Routine leiden. „Jeder Mensch kann seine innere Haltung ändern und immer wieder positive Aspekte sehen“, sagt Corinn Schmidt. Statt sich täglich über seine Situation zu ärgern, könne man sich fragen: Wieso ist diese Aufgabe sinnvoll? Wem helfe ich damit? Wie kann ich diese Tätigkeit sinnstiftend interpretieren?
Es hilft auch, sich daran zu erinnern, warum man sich überhaupt auf diese Stelle beworben hat: War das Unternehmen besonders reizvoll oder sein Produkt attraktiv? Vielleicht ist das Arbeitsumfeld angenehm oder der Chef nett? Wer diese Faktoren in den inneren Fokus rückt, ist im Job zufriedener – selbst wenn die Inhalte nicht glücklich machen.
Auch die Bezahlung spielt eine Rolle: „Oft haben Menschen ein Ziel außerhalb der Arbeit“, sagt Corinn Schmidt. „Sie arbeiten zum Beispiel, um ein Haus abzubezahlen oder Geld für eine große Reise zu sparen.“Mit diesem Wunsch im Blick können Mitarbeiter versuchen, dankbar für ihren Job zu sein – und die Routineaufgaben als Teil ihres großen Plans zu betrachten.
Außerdem kann jeder den Joballtag abwechslungsreicher gestalten. „Wer sich gar nicht mehr zu seiner Arbeit motivieren kann, dem bleibt nur das Belohnungsprinzip“, sagt Coach Tom Diesbrock. „Man kann sich zwischen den Arbeitseinheiten kleine Belohnungen gönnen – wie einen Snack oder einen Gang vor die Tür.“Auch den Kollegen fehlt die Motivation? Dann kann es helfen, kleine Wettkämpfe zu starten oder Wetten abzuschließen über das, was im Büro passiert. „Sobald wir das Kindliche in uns anregen, nehmen wir vieles leichter“, sagt Schmidt.
Im schlimmsten Fall droht ein Boreout
Wenn die Routine trotz aller Bemühungen zermürbt, kann der Frust im schlimmsten Fall psychische Probleme verursachen. „Durch die ständige schlechte Bewertung meiner Situation und das Grübeln stehe ich selbst unter großem Stress und kann gefährdet sein, eine Depression zu entwickeln“, erklärt Olivia vor dem Brocke. Häufig fällt in diesem Zusammenhang das Stichwort Bore Out für das englische Wort für Langeweile und analog zum Burnout. Eine klinische Diagnose ist das zwar nicht. Die Symptome werden aber immer häufiger beschrieben und könnten Anzeichen für die Entwicklung einer Depression sein.
Zwei der wichtigsten Merkmale dafür sind Interessensverlust und depressive Verstimmungen, so vor dem Brocke – und zwar nicht nur im Job. „Man hat zu nichts mehr Lust und ist schlecht gelaunt. Wenn das den Alltag bestimmt und man auch in der Freizeit keinen sozialen Aktivitäten mehr nachgehen möchte, dann ist es ein Zeichen, dass man etwas verändern muss.“Dann helfen auch keine Motivationsspiele oder kleinen Belohnungen mehr. Dann muss eine neue Herausforderung her. (dpa)