Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Christoph Sonntag spricht immer wieder sonntags das Wort zum Sonntag
Schwäbischer Kabarettist altwürttembergischer Sprachprägung vergleicht im Rahmen der Urspringer Kulturtage alte und neue Zeiten
URSPRING - Christoph Sonntag, der 1962 in Waiblingen geborene Kabarettist mit Schwäbisch in seiner altwürttembergischen Ausprägung, hat am Sonntag in Urspring eine Stunde lang gewissermaßen das Wort zum Sonntag gesprochen. Vor 120 dicht gedrängt sitzenden und doch äußerst vergnügten Zuhörern, legte er sich im Rahmen der Urspringer Kulturtage geistig quer.
Bei Christoph Sonntag gibt es keine guten und schlechten, sondern nur alte und neue Zeiten. Die alten beginnen für ihn während seiner Kindheit vor einem halben Jahrhundert, die neuen seit der Ausbreitung von Denglisch als deutscher Umgangssprache. Die Darlegung des Unterschieds unternimmt er in württembergischem Schwäbisch, Stuttgarter Prägung.
So wie Christoph Sonntag das in seiner offenherzigen Art tut, wirkt es direkt sympathisch, auch auf Zuhörer, die den Tonfall ansonsten komisch finden, vor allem wenn kleine Mäuse schon schon zum Frühstück angepriesen werden. Bei Seitenbacher wird es selbst Christoph Sonntag zu viel. Als gelernter Schauspieler weiß er zwischen Dialekt und Bühnensprache sehr wohl zu unterscheiden und dass Müesli der Diminutiv von Mues ist und Müsli von Maus. Der von Mus wäre, sofern gebraucht, Müslein oder Müschen, schwäbisch Müesle. Aber Sprache wird heute eh von der Konsumentenbearbeitungsindustrie bestimmt und nicht von Logik wie zu Goethe und Schillers Zeiten. Da herrschte noch Sturm und Drang, später Klassik.
Den Unterschied zwischen alten und neuen Zeiten legt der vom Drang des Sprechens besessene Christoph Sonntag in unzähligen Beispielen und rascher Folge dar. Dabei schwätzt er buchstäblich wie ein Buch – sein eigenes nämlich, das im Jahr 2011 unter dem Titel „Damals war heute noch Zukunft – AZNZ“beim Tübinger Silberburg-Verlag in erster Auflage erschienen und allenthalben käuflich ist. Das ist jetzt auch schon eine Weile her. Gab es eigentlich eine zweite?
Der heute noch wirkende Witz liegt in der schnellen Konfrontation der Unterschiede und unvermittelten Einblicken in Situationen, die Sonntags gesittetem Publikum kaum aus eigener Erfahrung vertraut sein dürften, so wenn er Supermarktäpfel beschreibt als „mit Zellophan auf eine Styroporunterlage festgeschnallt wie ein Perverser im Sado-MasoStudio“. Völlig ungebunden bewegt sich Christoph Sonntag hingegen auf der kleinen Bühne und besteigt zur Erhöhung der Wirkung schon mal einen Stuhl, dessen Lehne in seiner Sitzfläche einen starken Eindruck hinterlassen dürfte. Wieder auf dem Boden bindet er sich ununterbrochen babbelnd einen Teil seines ansonsten schon naturgescheitelten Haupthaars mit einem Gummiring nach oben, um Conchita Wursts Mutter besser darzustellen.
Sprachlich, mimisch und gestisch stimmt bei Christoph Sonntag alles. Was hat er noch zuerst studiert? Landschaftsplaner. Schauspielunterricht kam später. Aber auch in Hermann von Pückler-Muskaus Landschaftsgärten war schon alles stimmig angelegt.