Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Ein Trikot für Erdogan: Darf man das?
Wirbel um das Treffen der deutschen Nationalspieler mit dem türkischen Präsidenten – Wir haben Fußballer aus der Region nach ihrer Meinung gefragt
NEU-ULM - Mesut Özil und Ilkay Gündogan sind deutsche FußballNationalspieler mit türkischen Wurzeln. Sie haben in London den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen und ihm Trikots ihrer Vereine FC Arsenal und Manchester City geschenkt. Ist das ihr gutes Recht oder geht so eine Aktion gar nicht? Sollte Joachim Löw deswegen Özil und Gündogan sogar aus dem WM-Kader streichen? Zum inzwischen bekannt gegebenen vorläufigen Kader des Bundestrainers gehören sie zwar, die Diskussion geht trotzdem weiter. Wir haben Fußballer aus der Region nach ihrer Meinung gefragt.
Holger Betz (Torhüter SSV Ulm 1846): „Die beiden Spieler hätten vorher ihre grauen Zellen bemühen sollen, dann wäre ihnen bewusst geworden, was sie mit so einer Aktion bewirken. Nämlich die Vermischung von Sport und Politik, die wir doch alle nicht wollen. Ich weiß nicht, ob es Gedankenlosigkeit war oder eine Inszenierung. Aber letztlich haben sich Özil und Gündogan vielleicht selbst am meisten geschadet.“
Ünal Demirkiran (Trainer TSV Neu-Ulm): „Ich habe selbst einen deutschen Pass, aber ich fühle mich immer noch als Türke. Özil und Gündogan sind in einer ähnlichen Situation: Deutsche Pässe, türkische Wurzeln. Insofern finde ich ihre Aktion ganz normal, auch wenn Erdogan in Deutschland ziemlich unbeliebt ist. Wobei über die Türkei auch viele Leute mitreden, die wenig Ahnung von der Situation im Land haben. Man kann sich ja mal die umgekehrte Situation vorstellen: Die deutsche Kanzlerin oder der Bundespräsident besucht die Türkei und ein deutschtürkischer Fußballprofi schenkt ihnen dort ein Trikot. Darüber würde sich kein Mensch aufregen.“
Markus Deibler (Trainer Türkspor Neu-Ulm): „Den Özil würde ich allein schon aus sportlichen Gründen vielleicht mitnehmen, aber ihn nicht spielen lassen. Was der in großen Spielen immer wieder abliefert, das ist mir zu wenig. Özil macht nicht den Unterschied aus, wir haben junge Spieler als Alternativen auf seiner Position. Auf diese Erdogan-Aktion kann der Bundestrainer bei seiner Nominierung keine Rücksicht nehmen. Deutschland will Weltmeister werden und Joachim Löw braucht dafür die Spieler, denen er am ehesten zutraut, dass sie dieses Ziel erreichen – so lange die nicht etwas anstellen, was tatsächlich illegal ist. Man sollte die Sache generell nicht so hoch hängen. Wer mal ein Jahr lang Trainer einer türkischen Mannschaft war, der wird in solchen Angelegenheiten viel gelassener.“
Christoph Schregle (Trainer SV Tiefenbach): „Ich fand die Aktion ziemlich daneben. Özil und Gündogan haben deutsche Pässe und sie sind deutsche Nationalspieler. Ihr Präsident ist somit nicht Erdogan. Ob man die beiden Spieler nur deswegen aus dem WM-Kader streichen sollte, das weiß ich nicht. Ich denke, dass der Bundestrainer ein deutliches Gespräch mit ihnen führen wird und dass er sie dann mit zur Weltmeisterschaft nimmt. Damit hätte ich auch kein grundsätzliches Problem.“
Uli Klar (Trainer TSV Obenhausen): „Ich fand die Aktion ungeschickt und den beiden Spielern muss sehr wohl bewusst gewesen sein, dass sie mächtig Wellen schlagen wird. Zumal sie als Profis ja auch viele Berater haben, die sie sicher darauf aufmerksam machen, wenn sie schon nicht selbst drauf kommen. Özil und Gündogan sollten jetzt also nicht so tun, als wären sie überrascht von der Diskussion. Ich denke, dass Joachim Löw sie aus sportlichen Gründen trotzdem mit zur Weltmeisterschaft nehmen wird und ich würde es als Trainer genauso machen. Die Aktion war nicht so gravierend, dass man deswegen alle Planungen über den Haufen werfen müsste.“