Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Weg vom Diesel
In Überlingen präsentierten Lkw-Hersteller ihre Vision einer grünen Logistik
ÜBERLINGEN - Mit welchen Antriebskonzepten der Güter- und Schwerlastverkehr künftig unterwegs ist, haben führende Lkw-Hersteller auf dem Forum Grüne Logistik am vergangenen Freitag in Überlingen präsentiert. Die Veranstaltung am Stammsitz des Naturkostgroßhändlers Bodan, zu der rund 100 Unternehmer aus der Logistikbranche kamen, hat im Wesentlichen zwei Erkenntnisse gebracht. Zum einen: Der Diesel wird auf absehbare Zeit die Basistechnologie im Transportgewerbe bleiben. Zum anderen: Neben dem Diesel etabliert sich eine breite Palette alternativer Antriebs- und Kraftstoffkonzepte, die sich vielfach bereits heute wirtschaftlich betreiben lassen.
Noch ist die Dominanz des Selbstzünders unangefochten: Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes zufolge waren von den rund 2,9 Millionen zum 1. Januar 2017 zugelassenen Lkw – aktuellere Zahlen liegen der Behörde noch nicht vor – 94,7 Prozent Diesel. Bei großen Lkw mit einer Nutzlast von mehr als zwölf Tonnen lag der Anteil sogar bei 99,8 Prozent. Doch der Druck auf die Hersteller von Kunden und Politik steigt. Vergangene Woche erst hat die EU-Kommission verbindliche Kohlendioxidgrenzwerte für Lastkraftwagen und Busse gefordert. Ihr Ziel: Von 2019 bis 2025 soll der CO2-Wert bei neuen Lkw um 15 Prozent sinken, bis 2030 um insgesamt 30 Prozent.
„Ich bin überzeugt, dass fossile Brennstoffe ein Auslaufmodell sind“, sagte Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Überlingen und forderte die Hersteller angesichts steigender Schadstoffemissionen im Verkehrsund Transportsektor auf, „mit größerem Engagement das Innovative zu suchen“. Hermann zufolge komme ein Drittel aller Treibhausgase in Baden-Württemberg aus dem Verkehrsund Transportsektor. Die CO2-Emissionen im Güterverkehr hätten seit 1990 trotz besserer Abgasreinigung um zehn Prozent zugelegt, weil das Verkehrsaufkommen überproportional angestiegen sei. Wolle man bis zum Ende des Jahrhunderts klimaneutral sein, müssten die Emissionen um 80 bis 90 Prozent sinken, so Hermann.
Stand heute trauen zahlreiche Hersteller verflüssigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas, kurz: LNG) zu, nennenswerte Marktanteile auf Kosten des Diesels zu gewinnen. Dabei wird Erdgas auf minus 130 Grad abgekühlt und verflüssigt, was Reichweiten von bis zu 1400 Kilometern pro Tankfüllung ermöglichen soll. Der Wirkungsgrad von LNG-Antrieben ist zwar etwas schwächer als der eines Diesel, beim Schadstoffausstoß schneiden sie aber deutlich besser ab. „LNG-Antriebe stoßen bis zu 90 Prozent weniger Kohlendioxid und bis zu 95 Prozent weniger Stickoxide aus als ein moderner Euro-6Diesel“, sagte Mario Männlein, Erdgasexperte beim Ulmer Nutzfahrzeughersteller Iveco Magirus. Ein weiterer Vorteil von LNG-Antrieben sei laut Männlein, dass sie deutlich weniger Geräuschemissionen verursachten. Das mache in Städten auch Übernachtbelieferungen möglich und entlaste den Verkehr tagsüber. Allerdings: Aktuell gebe es in ganz Deutschland lediglich zwei LNGTankstellen.
Die schwedischen Nutzfahrzeughersteller Volvo und Scania setzen auf eine breite Palette an alternativen Kraftstoffen. „Viele Kunden haben ambitionierte Nachhaltigkeitsziele“, erklärte Stefan Ziegert, verantwortlich für nachhaltige Transportlösungen bei Scania Deutschland. Dem entspreche man mit Diesel-Alternativen wie LNG, Ethanol oder hydrierten Pflanzenölen (HVO).
Auch elektrisch angetriebenen Lkws werden künftig Marktchancen eingeräumt – vornehmlich jedoch im Verteilerverkehr. Christian Lazik von Daimler versprach für die Modelle der Serie eActros Reichweiten von 200 Kilometer. Die 18- und 25Tonner, die aktuell bei Testkunden im Einsatz sind, sollen 2021 in Serie gefertigt werden. Etwas weiter ist da der Schweizer Anbieter E-Force One. Das Unternehmen hat bereits 2013 einen rein elektrisch angetriebenen Lkw auf die Straße gebracht und Ende des vergangenen Jahres mit dem E44 zudem einen ersten schweren Elektro-Lkw vorgestellt.
Besteuerung am Pranger
Welche Antriebsalternativen sich im Güterverkehr durchsetzen werden, ist offen. Vieles hängt auch davon ab, welche Anreize die Politik setzt. „Wir haben ein Steuersystem, das nicht umweltfreundlich ist“, gestand Verkehrsminister Hermann mit Blick auf die Dieselbesteuerung ein und warb eindringlich dafür, einen Teil des Güterverkehrs auf die Schiene zu verlagern. Pro transportierter Tonne müsse auf der Schiene nur ein Viertel des Diesels eingesetzt werden, der für den Transport auf der Straße nötig sei. „Allerdings haben wir das Riesenproblem, dass der Schienengüterverkehr technologisch im 19. Jahrhundert steckengeblieben ist“, so Hermann, und ein „sprichwörtlicher Hemmschuh“für intelligente Logistikkonzepte sei.
Bodan-Chef Dieter Hallerbach, der in seinem Fuhrpark unter anderem auf Gas-Lkw setzt und bis zum Jahr 2020 keine erdölbasierten Kraftstoffe mehr tanken will, forderte, Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen in die Besteuerung einzubeziehen. Heinrich Grieshaber, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben und Inhaber des gleichnamigen Logistikdienstleisters aus Weingarten (Kreis Ravensburg), brach hingegen eine Lanze für den Diesel: „Für mich ist der Diesel kein Auslaufmodell, und ich mache mir Sorgen, wie die Technologie in diesen Tagen schlechtgeredet wird.“