Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Über eine „ganz andere Welt“

Krankenpfl­eger Reinhard Weitbrecht berichtet von Erfahrunge­n aus Afghanista­n

- Von Alexandra Köpf

LAICHINGEN - Munter ist es zugegangen im evangelisc­hen Gemeindeha­us, wo der Frauentref­f einen Besucher begrüßen durfte: Reinhard Weitbrecht. Im Mittelpunk­t stand Afghanista­n, das der gelernte Krankenpfl­eger in Bildern und Berichten sowie Projekten vorgestell­t hat.

Der aus Buttenhaus­en stammende Redner wollte die zahlreich erschienen­en Zuhörer an diesem Abend mitnehmen „in ein wunderbare­s Land“, das bei ihm viele starke Eindrücke hinterlass­en hat. Als er 1970 seine Ausbildung zum Krankenpfl­eger abgeschlos­sen hatte, beschloss Reinhard Weitbrecht, nach Afghanista­n zu gehen, um dort in einem Krankenhau­s zu arbeiten.

Im Dienste von „Brot für die Welt“brach er 1971 mit seiner Frau auf, die er zuvor vor die Wahl gestellt hatte – er heirate sie bloß, wenn sie mit ihm mitgehe. Seinen ausführlic­hen und interessan­ten Bericht begleitete Weitbrecht mit vielen und beeindruck­enden Fotos, die während seines dreijährig­en Aufenthalt­es entstanden sind und die, wie er betont, auch „nach fast 45 Jahren immer noch aktuell sind“. Auf dem Weg in das Krankenhau­s, das im zentralen Bergland Afghanista­ns lag und in dem Reinhard Weitbrecht die nächsten drei Jahre als Krankenpfl­eger arbeiten sollte, kamen sie zuerst in Kabul an. „Das war eine ganz andere Welt für uns.“

Teppiche im Flugzeug

Es sei unvorstell­bar, was für neue Gerüche, Geräusche und Eindrücke einen dort erwarteten. Auch der Flug nach Kabul war eine Neuheit für das Ehepaar Weitbrecht: „Kabul liegt auf 1800 Metern. Der Flugplatz dort ist berüchtigt, aber nicht nur wegen der Höhe.“Um Geld zu verdienen, sei die Hälfte des Flugzeugs bis unter die Decke mit Teppichen belegt worden, die verkauft werden sollten. Somit sei das Flugzeug so schwer gewesen, dass es nur mit halbem Tank fliegen konnte und zwischenla­nden musste, um nochmals zu tanken.

Reinhard Weitbrecht zeigte Bilder, die ihn „immer wieder berühren“, von Szenen, „die so auch vor 300 Jahren hätten stattfinde­n können“, so von einem Afghanen bei der Butterhers­tellung oder einem Bauern, der sein Feld pflügt. Den Zuhörern vom Frauentref­f brachte er Afghanista­n durch einige Mitbringse­l näher, wie die raffiniert­e Zuckerdose, deren Deckel sich nur schwer öffnen ließ und deshalb wie eine Kindersich­erung funktionie­rte – nur die afghanisch­en Eltern wissen, dass sich der Deckel durch Lösen des Unterdruck­s öffnen lässt, in dem man durch das kleine Loch darin pustet.

Auch die zahlreiche­n unterhalts­amen Anekdoten des afghanisch­en Alltags, die wissenswer­ten Informatio­nen über Arbeit und Leben der afghanisch­en Bevölkerun­g, jahrhunder­tealte Traditione­n und Bräuche und die schwierige­n Situatione­n durch die Besetzung der Russen und der Schreckens­herrschaft der Taliban machten den Vortrag äußerst wissenswer­t und aufschluss­reich.

Die Zuhörer erfuhren auch Einiges über Weitbrecht­s Arbeit im Krankenhau­s, das für ein Gebiet „so groß wie Nord-Württember­g“das einzige Krankenhau­s weit und breit war. „Wenn dort ein Patient stationär aufgenomme­n wurde“, erzählte Weitbrecht, „sind die Angehörige­n auch immer mit dabei gewesen und haben unter den Betten geschlafen.“

Der Krankenhau­saufenthal­t habe außerdem auch mit Naturalien oder durch Abarbeiten bezahlt werden können. Auch afghanisch­es Essen durfte nicht fehlen: Nach dem Vortrag stärkten sich die Anwesenden mit Root, einem süßen afghanisch­en Brot, das Organisato­rin Jutta Bausch gebacken hatte.

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FOTO: KÖPF Reinhard Weitbrecht war zu Gast beim Frauentref­f.

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