Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Über eine „ganz andere Welt“
Krankenpfleger Reinhard Weitbrecht berichtet von Erfahrungen aus Afghanistan
LAICHINGEN - Munter ist es zugegangen im evangelischen Gemeindehaus, wo der Frauentreff einen Besucher begrüßen durfte: Reinhard Weitbrecht. Im Mittelpunkt stand Afghanistan, das der gelernte Krankenpfleger in Bildern und Berichten sowie Projekten vorgestellt hat.
Der aus Buttenhausen stammende Redner wollte die zahlreich erschienenen Zuhörer an diesem Abend mitnehmen „in ein wunderbares Land“, das bei ihm viele starke Eindrücke hinterlassen hat. Als er 1970 seine Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen hatte, beschloss Reinhard Weitbrecht, nach Afghanistan zu gehen, um dort in einem Krankenhaus zu arbeiten.
Im Dienste von „Brot für die Welt“brach er 1971 mit seiner Frau auf, die er zuvor vor die Wahl gestellt hatte – er heirate sie bloß, wenn sie mit ihm mitgehe. Seinen ausführlichen und interessanten Bericht begleitete Weitbrecht mit vielen und beeindruckenden Fotos, die während seines dreijährigen Aufenthaltes entstanden sind und die, wie er betont, auch „nach fast 45 Jahren immer noch aktuell sind“. Auf dem Weg in das Krankenhaus, das im zentralen Bergland Afghanistans lag und in dem Reinhard Weitbrecht die nächsten drei Jahre als Krankenpfleger arbeiten sollte, kamen sie zuerst in Kabul an. „Das war eine ganz andere Welt für uns.“
Teppiche im Flugzeug
Es sei unvorstellbar, was für neue Gerüche, Geräusche und Eindrücke einen dort erwarteten. Auch der Flug nach Kabul war eine Neuheit für das Ehepaar Weitbrecht: „Kabul liegt auf 1800 Metern. Der Flugplatz dort ist berüchtigt, aber nicht nur wegen der Höhe.“Um Geld zu verdienen, sei die Hälfte des Flugzeugs bis unter die Decke mit Teppichen belegt worden, die verkauft werden sollten. Somit sei das Flugzeug so schwer gewesen, dass es nur mit halbem Tank fliegen konnte und zwischenlanden musste, um nochmals zu tanken.
Reinhard Weitbrecht zeigte Bilder, die ihn „immer wieder berühren“, von Szenen, „die so auch vor 300 Jahren hätten stattfinden können“, so von einem Afghanen bei der Butterherstellung oder einem Bauern, der sein Feld pflügt. Den Zuhörern vom Frauentreff brachte er Afghanistan durch einige Mitbringsel näher, wie die raffinierte Zuckerdose, deren Deckel sich nur schwer öffnen ließ und deshalb wie eine Kindersicherung funktionierte – nur die afghanischen Eltern wissen, dass sich der Deckel durch Lösen des Unterdrucks öffnen lässt, in dem man durch das kleine Loch darin pustet.
Auch die zahlreichen unterhaltsamen Anekdoten des afghanischen Alltags, die wissenswerten Informationen über Arbeit und Leben der afghanischen Bevölkerung, jahrhundertealte Traditionen und Bräuche und die schwierigen Situationen durch die Besetzung der Russen und der Schreckensherrschaft der Taliban machten den Vortrag äußerst wissenswert und aufschlussreich.
Die Zuhörer erfuhren auch Einiges über Weitbrechts Arbeit im Krankenhaus, das für ein Gebiet „so groß wie Nord-Württemberg“das einzige Krankenhaus weit und breit war. „Wenn dort ein Patient stationär aufgenommen wurde“, erzählte Weitbrecht, „sind die Angehörigen auch immer mit dabei gewesen und haben unter den Betten geschlafen.“
Der Krankenhausaufenthalt habe außerdem auch mit Naturalien oder durch Abarbeiten bezahlt werden können. Auch afghanisches Essen durfte nicht fehlen: Nach dem Vortrag stärkten sich die Anwesenden mit Root, einem süßen afghanischen Brot, das Organisatorin Jutta Bausch gebacken hatte.