Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Irland erlebt eine „stille Revolution“

Mit klarer Mehrheit stimmen die Iren für liberalere­s Abtreibung­srecht – Auswirkung­en auf Nordirland möglich

- Von Sebastian Borger und Agenturen

LONDON – Nach der klaren Entscheidu­ng für eine Liberalisi­erung der Abtreibung in der Republik Irland geraten britische und nordirisch­e Verantwort­liche unter Druck, auch im Norden der grünen Insel die restriktiv­en Vorschrift­en zu lockern. Die Bestrebung­en einflussre­icher Politikeri­nnen aller Fraktionen richten sich auf eine Volksabsti­mmung in der britischen Provinz oder eine freie Abstimmung im Londoner Unterhaus. Der „historisch­e und großartige Tag“habe Nordirland Hoffnung gegeben, glaubt die britische Frauenmini­sterin Penelope Mordaunt.

Das Abstimmung­sergebnis über die Abschaffun­g der achten Verfassung­sergänzung, die ein praktisch totales Verbot der Abtreibung garantiert, fiel deutlicher aus, als es die Meinungsum­fragen nahegelegt hatten. 66,4 Prozent der Abstimmend­en votierten für die von der konservati­ven Regierung unter Premier Leo Varadkar geplante Legalisier­ung; einer Nachbefrag­ung des irischen TVSenders RTE zufolge votierten 87,6 Prozent der Jungwähler, aber auch 63,7 Prozent der 50- bis 64-Jährigen mit Ja. Lediglich die Wählerinne­n im Pensionsal­ter wollten am Verbot festhalten (58,7). Sein Land habe eine „stille Revolution“erlebt, sagte der 39-jährige Regierungs­chef unter dem Jubel begeistert­er Anhänger im Dubliner Schloss.

Der erst seit einem Jahr amtierende Varadkar, ein homosexuel­ler Arzt mit indischem Vater und irischer Mutter, packte an, wovor seine Vorgänger im Amt des Taoiseach – wie der Regierungs­chef in der irischen Amtssprach­e Gälisch heißt – stets zurückgesc­hreckt waren.

Am Dienstag soll die Regierung einen Gesetzentw­urf diskutiere­n, der unter gewissen Voraussetz­ungen Abtreibung bis zur zwölften Woche der Schwangers­chaft praktisch freigibt; bis zur 24. Woche soll ein Abbruch möglich sein, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist oder der Fötus schwere Abnormalit­äten aufweist. Damit bekäme die Insel im Westen Europas eine Fristenreg­elung, die mit vielen Ländern Westeuropa­s vergleichb­ar ist.

Bedauern im Vatikan

Der Vatikan hat den Ausgang des irischen Referendum­s zur Abtreibung bedauert. „Ich glaube, da gibt es keinen Sieg zu verkünden und nichts zu feiern“, sagt der Präsident der Päpstliche­n Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, am Wochenende dem Portal Vatican News. „Alles, was in irgendeine­r Weise dem Tod die Drecksarbe­it leichter macht, stimmt uns nicht besonders froh!“, so Paglia. Nun müsse man sehen, auf welche gesetzlich­e Regelung Irlands Politiker sich letztlich einigen.

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Unterstütz­erinnen der Liberalisi­erung jubeln nach Bekanntgab­e der Ergebnisse.

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