Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Scheitert Italien, scheitert die EU

- Von Hendrik Groth h. groth@ schwaebisc­he. de

Der VfB-Stuttgart-Fan Günther Oettinger hat den Europafein­den den Ball vor wenigen Tagen auf den Elfmeterpu­nkt gelegt, und die haben ihn ohne langen Anlauf im Tor versenkt. Dabei war es inhaltlich richtig, was der EU-Kommissar zur Lage in Italien gesagt hat. Seine Sorge vor dem weiteren Erstarken der Populisten in dem Land ist völlig berechtigt, denn ihr Geschäft ist es ja nunmal, mit europafein­dlichen Parolen bei den Bürgern zu punkten. Sollte der populistis­chen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfei­ndlichen Lega tatsächlic­h nun im zweiten Anlauf eine Regierungs­bildung glücken, wird das Gejammer über Brüssel – und natürlich auch über die Regierung in Berlin – noch lauter werden.

Die populistis­che Dauerklage lautet: Die deutsche Schamlosig­keit bestimme seit Jahrzehnte­n die europäisch­e Politik, und deshalb sei Italien ein Vasall Brüssels. Doch dahinter steckt ein ganz anderes politische­s Kalkül: Die Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsradi­kale Lega wollen schlicht ihre abenteuerl­ichen finanzpoli­tischen Verspreche­n auf Kosten der europäisch­en Solidaritä­t durchsetze­n. Dass die europäisch­en Finanzmärk­te auf diesen Kurs reagieren werden, ist logisch – und ein entspreche­nder Verweis darauf nicht respektlos gegenüber den Bürgern in Italien. Dennoch sah sich EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker veranlasst, seinen Kommissar zu tadeln.

Doch Juncker sollte seinen Blick besser nach vorne richten und präzisiere­n, wo die Perspektiv­en Italiens und der Europäisch­en Union liegen. Vom kommenden EU-Gipfel müssen Impulse an die Wähler gehen, dass sich etwas auf dem Kontinent bewegt. Das auch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel praktizier­te Ankündigen oder Abwarten reicht nicht mehr. Das Europa von morgen braucht Reformen. Zuletzt wurde in diesem Zusammenha­ng immer wieder auf Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, dessen innenpolit­ische Nöte und den Druck von rechts verwiesen. In Italien ist die Lage viel dramatisch­er. Scheitert Italien, scheitert die EU.

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