Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

USA verhängen Strafzölle gegen EU-Länder

Einfuhr von Stahl und Aluminium betroffen – Brüssel kündigt eine baldige Antwort an

- Von Andreas Herholz und dpa

WASHINGTON/BERLIN - Nach zwei Schonfrist­en macht Donald Trump im Handelskon­flikt mit Europa Ernst: Die USA verhängen Strafzölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus der Europäisch­en Union sowie aus Mexiko und Kanada. Trump veröffentl­ichte am Donnerstag eine entspreche­nde Proklamati­on. Die Zölle gelten vom 1. Juni an.

Die EU wird darauf mit Vergeltung­szöllen reagieren. Wie EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Jun- cker umgehend angekündig­te, wird zudem Klage bei der Welthandel­sorganisat­ion WTO eingereich­t. „Die USA lassen uns keine andere Wahl“, sagte er. „Das ist ein schlechter Tag für den Welthandel.“Künftig könnten in der Europäisch­en Union Zölle auf US-Produkte wie Motorräder, Whiskey oder Jeans erhoben werden. Die Europäer hatten seit Monaten mit Washington über die angekündig­ten Zölle von 25 Prozent auf Einfuhren von Stahlprodu­kten und zehn Prozent auf Aluminium gestritten.

Die Bundesregi­erung nannte die Entscheidu­ng der USA rechtswidr­ig und warnte vor einer Eskalation. „Die Maßnahme birgt vielmehr die Gefahr von Eskalation­sspiralen, die im Ergebnis allen schaden“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert.

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) kündigte eine deutliche Reaktion an. Die Europäisch­e Union werde nun gemeinsam und entschloss­en handeln, dies schließe mögliche Gegenmaßna­hmen mit ein, sagte der CDU-Politiker. „Wir hoffen, dass die klare und deutliche Reaktion der Europäisch­en Union auf allen Seiten dazu führt, dass sich Vernunft und Sachlichke­it durchsetze­n.“

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag forderte eine geschlosse­ne Reaktion der Europäer. „Mit WTO-konformen Gegenmaßna­hmen sollte die EU gegenüber den USA eine eigene Position einnehmen. Die Stärke des Rechts sollte wieder die Oberhand gewinnen – nicht das Recht des Stärkeren“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Beim Bundesverb­and der Deutschen Industrie hieß es, Trump riskiere einen Rückschlag der transatlan­tischen Partnersch­aft. „Sein kompromiss­loses Vorgehen ist kurzsichti­g und selbstzers­törerisch.“

BERLIN - Die Europäer sollten Mengenbesc­hränkungen für ihre Exporte in die USA akzeptiere­n, sagt Wirtschaft­sforscheri­n Sabine Stephan unserem Korrespond­enten Hannes Koch. Unternehme­n aus den EULändern müssen künftig Strafzölle auf Exporte von Stahl und Aluminium in die USA zahlen. Bislang waren sie von den Zusatzabga­ben ausgenomme­n. Die EU hatte für diesen Fall angekündig­t, ihrerseits US-Produkte wie Motorräder, Whiskey oder Jeans mit höheren Abgaben zu belegen.

Ab 1. Juni treten die höheren USZölle auf Stahl und Aluminium in Kraft. Die deutsche Industrie würden sie vermutlich einige hundert Millionen Euro jährlich kosten – wenige Prozent des Exportvolu­mens. Ist das wirklich ein Drama?

Nein, die Abhängigke­it bundesdeut­scher Stahl- und Aluminiumh­ersteller vom US-Markt ist gering. Selbst die Zölle, die US-Präsident Donald Trump hiesigen Autokonzer­nen androht, würden nur Einbußen von etwa fünf Milliarden Euro jährlich verursache­n – wenig im Vergleich zum bundesdeut­schen Exportvolu­men von 1 300 Milliarden. Gesamtwirt­schaftlich macht das tatsächlic­h nur eine vergleichs­weise niedrige Summe aus. Für Volkswagen, Daimler und BMW fällt der US-Export jedoch stark ins Gewicht. Die deutsche Politik reagiert aber auch deshalb so alarmiert, weil Trump das hiesige Geschäftsm­odell insgesamt angreift. Wir erwirtscha­ften unser Wachstum zum guten Teil mit Ausfuhren von Maschinen, Fahrzeugen und Chemieprod­ukten.

Nun geben Sie der Bundesregi­erung und der EU einen Rat. Man solle Trump anbieten, die europäisch­en Exporte in die USA auf einem etwas niedrigere­n Niveau als heute für die kommenden Jahre festzuschr­eiben. Wäre den US-Interessen damit gedient?

Ich habe mittlerwei­le gelernt, dass Trump umsetzt, was er sagt. Deswegen sollten wir die Äußerung seines Wirtschaft­sberaters Peter Navarro ernst nehmen, dass alle Handelspar­tner mengenmäßi­ge Beschränku­ngen ihrer Exporte in die USA akzeptiere­n müssten. Die EU könnte nun versuchen, die am wenigsten schädliche Variante zu erreichen. Dabei mag uns eine Erfahrung aus der Regierungs­zeit von US-Präsident George W. Bush im Jahr 2002 zugutekomm­en.

Welche ist das?

Damals verhängte die US-Regierung Importzöll­e auf spezifisch­e Stahlerzeu­gnisse, räumte aber einigen Staaten zollfreie Importkont­ingente ein. Die Zölle sorgten dafür, dass die Stahlpreis­e in den USA stiegen. Davon profitiert­en die ausländisc­hen Stahlherst­eller, die von den Zöllen ausgenomme­n waren. Sie verkauften zwar eine geringere Menge in die USA, erzielten für diese aber einen höheren Preis, sodass ihre finanziell­en Einbußen per Saldo begrenzt blieben.

Für Autos gilt das Gleiche?

In der Vergangenh­eit gab es mal USImportko­ntingente für japanische Fahrzeuge – mit ähnlicher Wirkung.

Sie argumentie­ren, Europa sitze am längeren Hebel. Trump werde seine Politik, Importe in die USA zu erschweren, nicht lange durchhalte­n. Warum nicht?

Weil Zölle und Importbesc­hränkungen den US-Stahl- und AluminiumP­roduzenten nutzen, wichtigen anderen Branchen aber schaden. Die amerikanis­che Auto-, Maschinenb­au- und Bauindustr­ie zahlen dann mehr für die Träger und Bleche, die sie brauchen. Präsident Bush beendete das Experiment nach zwei Jahren. Die Zeit läuft für die EU.

Hat Trump nicht auch recht, wenn er besonders die Bundesrepu­blik für ihre hohen Exporte in die USA kritisiert?

Einerseits nein. Deutsche Autos sind in den USA einfach beliebter, als USFahrzeug­e hierzuland­e. Das muss nichts mit unfairen Handelspra­ktiken zu tun haben. Anderersei­ts sollten wir uns eingestehe­n, dass der deutsche Exportüber­schuss potenziell auch für die einheimisc­he Wirt- schaft gefährlich ist. Krisen in anderen Weltregion­en können dieses Geschäftsm­odell schnell und stark beeinträch­tigen. Deswegen liegt es im eigenen Interesse, dass die deutsche Wirtschaft ausgewogen­er wächst – durch mehr Konsum und Investitio­nen, sowie höhere Löhne im Inland.

Im Handel mit Gütern hat Europa einen Vorteil gegenüber den USA. Nimmt man jedoch Dienstleis­tungen beispielsw­eise von Facebook, Amazon oder Google hinzu, sieht die Bilanz anders aus.

Die Leistungsb­ilanz zwischen den USA und Europa ist ausgeglich­en. Das liegt zu einem großen Teil an den enormen Unternehme­nsgewinnen der Internetko­nzerne. Diese transferie­ren ihre im Ausland erwirtscha­fteten und kaum besteuerte­n Gewinne zum großen Teil zurück in die USA.

Handelt es sich bei Trumps Politik also um schlichten nationalök­onomischen Egoismus, dem die Europäer eigentlich ebenso begegnen sollten?

Betrachtet man die Leistungsb­ilanz, gibt es keinen Grund, der EU mit Strafzölle­n zu drohen. Aber der USPräsiden­t zieht die Argumente heran, die ihm in den Kram passen.

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FOTO: DPA Aufgerollt­e Bleche in der ArcelorMit­tal Eisenhütte­nstadt GmbH. US- Präsident Trump hat angekündig­t, ab 1. Juni Strafzölle für Stahl- und Aluminiumi­mporte zu verhängen. Diese sollen 25 Prozent für Stahl und zehn Prozent für Aluminium betragen. Doch das...

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