Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Es dampft und brodelt
Das Riesentalent Marcus King bringt das Ulmer Zelt zum Kochen
- Woher hat der Mann diese Stimme? Genehmigt er sich hin und wieder mal ein Gläschen Batteriesäure, um die Stimmbänder zu schärfen? Jedenfalls klingt Marcus King wie ein ziemlich verlebter Mittfünfziger, dabei ist er gerade mal 22 Jahre alt – und ein Riesentalent. Denn es ist weniger seine kratzige Blues- und Soul-Röhre, die aufhorchen lässt, sondern sein Gitarrenspiel. Deswegen waren so viele ins Ulmer Zelt gekommen. Sie alle hätten altersmäßig locker als Väter oder Mutter dieses Kerls durchgehen können. Und sie wären mit Sicherheit alle stolz gewesen auf ihren Spross.
In Deutschland war Marcus King bisher ein ziemlich unbeschriebenes Blatt, ein reiner Insider-Tipp für Bluesrock-Spezialisten. In seiner Heimat USA hat er sich schon einen gewissen Ruhm erspielt, stand er doch schon als Kind mit seinem Vater, dem Blues-Gi- tarristen Marvin King, zusammen auf der Bühne. Er schmiss die Schule, spielte Gitarre, ging rastlos auf Tour und wurde von Warren Haynes, Gitarrenmeister der Allman Brothers Band unter die Fittiche genommen. Der produzierte zwei seiner bald drei Studioalben.
Ein außergewöhnliches Talent also, das gerne alles in einen Topf wirft, umrührt, schön heiß aufkochen lasst und dampfend serviert: Blues, Soul, Rock, Jazz und Country. Im Zelt hat er die Leute sofort auf seiner Seite, als er schön funky loslegt. Erst lässt er es solistisch noch locker angehen, doch dann zeigt er, was er mit seinen nicht unbedingt schlanken Fingern alles anstellen kann – eine unglaubliche Menge. Sein warmer Ton erinnert an Joe Bonamassa und so schnell wie der ist Marcus King mittlerweile auch. Dafür setzt es vom ersten Song an Szenenapplaus.
Man merkt: Der Mann lebt das, was er tut, offenbar mit jeder Nervenfaser. Er dirigiert souverän seine fünfköpfige Band, zu der auch zwei scharfe Bläser gehören, die dem Ganzen eine Menge Biss verleihen. Natürlich darf nicht nur der Chef solieren, sondern bis auf Bass und Schlagzeug auch alle anderen. Und die sind allesamt gut. Doch das wäre nur halb so viel wert, säße da mit Jack Ryan nicht ein Mann hintern den Trommeln, der mit maximalem Körpereinsatz die Band vorantreibt. Der Schweißring auf seinem TShirt arbeitet sich vom ersten Song an abwärts, bis das Oberteil am Ende komplett durchgeweicht ist.
Die Zugabe ist ein Fall für sich. Sie beginnt erst recht verhalten mit dem gemächlich dahinschlendernden „Rita Is Gone“und mündet dann in ein irres Hardrock-Medley aus „War Pigs“von Black Sabbath und „Bloodsucker“von Deep Purple – mit Saxofon- und Trompeten-Solo. Am Ende steht das Zelt Kopf. Mit Recht.