Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)
Daimler muss 774 000 Pkw zurückrufen
Konzernchef Dieter Zetsche gerät im Dieselskandal immer stärker unter Druck
BERLIN - Besuche dieser Art sind misslich. Niemand steht gerne am Pranger. Daimler-Chef Dieter Zetsche blieb das am Montag wieder nicht erspart. Öffentlich sichtbar musste er den Weg von seinem Wagen zum Haupteingang des Verkehrsministeriums in Berlin zurücklegen, vorbei an zahlreichen Reportern, Kamerateams und Fotografen. Rapport bei Minister Andreas Scheuer (CSU): Diesem ist wichtig, dass alle sehen, wo das Problem steckt – bei Auto-Boss Zetsche, nicht bei der Politik.
Das Ergebnis der Unterhaltung ist ein ziemliches Desaster für Daimler und seinen Vorstandsvorsitzenden. Hat Zetsche doch immer erklärt, sein Unternehmen habe keinen illegale Software zur Motorsteuerung verwendet. Nun teilte Bundesverkehrsminister Scheuer mit: „Der Bund wird deutschlandweit für 238 000 Daimler-Fahrzeuge wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen unverzüglich einen amtlichen Rückruf anordnen. Insgesamt sind in Europa 774 000 Fahrzeuge betroffen.“Neben dem bereits beanstandeten Transporter Vito handele es sich besonders „um die Volumen-Modelle GLC 220d und C 220d“.
Vor zwei Wochen war Zetsche in der gleichen Angelegenheit bereits einmal bei Scheuer. Das KraftfahrtBundesamt (KBA) hatte vorher für rund 5 000 Mercedes-Transporter vom TypVito 1.6 Liter Diesel Euro 6 einen verpflichtenden Rückruf angeordnet. Die Experten der Behörde, die dem Verkehrsministerium untersteht, argumentierten, die Motoren enthielten eine „unzulässige Abschalteinrichtung“. Der Effekt: vorschriftsmäßige Stickoxidwerte auf dem Prüfstand, aber zu hoher Abgasausstoß im Normalbetrieb. Daimler bestreitet den Vorwurf. Doch das KBA lässt nicht locker. Die Fachleute gehen dem Verdacht nach, dass ein ähnliches Steuerprogramm wie beim Vito in hunderttausenden weiterer Fahrzeuge verwendet wird. Ihr Verdacht scheint sich jetzt erhärtet zu haben. Anders ist die Mitteilung des Verkehrsministers nicht zu erklären. Das KBA und das Ministerium legen eine schärfere Gangart an den Tag als unter Scheuer-Vorgänger Alexander Dobrindt (CSU).
Auch für den Stuttgarter Hersteller wird der Diesel-Skandal damit unangenehmer und teurer. Der Autobauer will den von Verkehrsminister Scheuer angekündigten Rückruf umsetzen – zugleich aber auch dagegen Widerspruch einlegen. „Offene Rechtsfragen werden noch im Widerspruchsverfahren geklärt“, teilte Daimler im Anschluss an das Treffen im Bundesverkehrsministerium mit. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Sache eine ähnliche Dimension annimmt wie bei VW, wo sie begann.