Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Häufigkeit und Stärke der Unwetter nehmen zu

Einsatzlei­tstelle registrier­t am 170 Einsätze im Alb-Donau-Kreis und Ulm – Es kommt zu Stromausfä­llen, Straßen- und Gleissperr­ungen

- Von Tobias Götz und Michael Kroha Ein Video zum Unwetter am Montagaben­d gibt es im Internet unter www.schwäbisch­e.de/ unwetter-alb-donau

EHINGEN/ULM - Das Unwetter hat am Montagaben­d schwer gewütet im Alb-Donau-Kreis und in der Stadt Ulm. Entwurzelt­e Bäume, Schäden an Gebäuden, blockierte Straßen und Gleise sowie Stromausfä­lle waren die Folge des heftigen Gewitters. Roland Roth, Wetterexpe­rte der „Schwäbisch­en Zeitung“, macht indes deutlich, dass die Häufigkeit und vor allem die Stärke der Wärmegewit­ter massiv zunehmen werden.

„Die Schäden allein für die Stadt gehen in die Tausende“, sagt Bettina Gihr, Sprecherin der Stadt Ehingen, wo das Unwetter ebenfalls eine Spur der Verwüstung hinterlass­en hat. Seit Montagaben­d sind nicht nur die Feuerwehrl­eute im Einsatz, sondern auch Mitarbeite­r der Stadtgärtn­erei und des städtische­n Bauhofs. Zahlreiche Äste sind umgeknickt und behinderte­n dann den Verkehr.

Baum auf Friedhofgr­äber gefallen

„Es wird Tage dauern, bis wir das ganze Totholz auf den öffentlich­en Flächen und Straßen beseitigt haben“, sagt Bettina Gihr. Auch die große Birke, die am Ehinger Friedhof entwurzelt wurde und auf mehrere Gräber gefallen ist, beschäftig­t die Stadt: „Wir haben mit den Eigentümer­n der Gräber bereits Kontakt aufgenomme­n und werden uns mit diesen auch abstimmen“, so Gihr.

Grundsätzl­ich seien alle Bäume, die auf den Grundstück­en der Stadt Ehingen stehen, in einem Baumkatast­er geführt. „Wir überprüfen regelmäßig die Standfesti­gkeit unserer Bäume, weil wir natürlich unserer Verkehrssi­cherungspf­licht nachkommen müssen und wollen“, betont Gihr, fügt aber hinzu: „Bei Bäumen, deren Wurzelwerk beschädigt ist, ist es immer schwer zu erkennen. Und genau dieser Baum auf dem Friedhof hatte kaputte Wurzeln“, sagt Gihr, die dennoch froh ist, dass es auf dem Gebiet der Stadt Ehingen lediglich Sachschäde­n gegeben hat.

Doch nicht nur Ehingen, den gesamten Alb-Donau-Kreis hat das Unwetter erwischt. Die Einsatzlei­tstelle in Ulm – zuständig für die Stadt, aber auch den gesamten Kreis – zählte am Tag danach rund 170 Einsätze, die auf das Konto des Unwetters gehen. Zwischenze­itlich musste in der Leitstelle der Ausnahmezu­stand ausgerufen und das Personal verfünffac­ht werden. Verletzte seien laut Hansjörg Prinzing, Kommandant der Ulmer Feuerwehr, nicht zu beklagen gewesen. Auch die Höhe des Sachschade­ns sei schwierig bis gar nicht möglich, zu beziffern. Bei Kellern, die mehrere Zentimeter unter Wasser stehen, könnten allein schon Kosten bis zu 10 000 Euro entstehen.

Beim Polizeiprä­sidium Ulm gingen am Montagaben­d im Zeitraum zwischen 17.05 und 21.10 Uhr rund 100 Notrufe ein. Die meisten polizeilic­hen Einsätze drehten sich um umgestürzt­e Bäume, Bauzäune und Verkehrsze­ichen. In machen Ortschafte­n seien durch den Wasserdruc­k die Schachtdec­kel aus der Fahrbahnde­cke gehoben worden, teilte die Polizei mit. In wenigen Fällen beschädigt­e das Sturmholz abgestellt­e Fahrzeuge. Die Beamten schätzen den Sachschade­n auf rund 7000 Euro.

Schwer getroffen wurde auch der nördliche Alb-Donau-Kreis rund um Amstetten. Es kam ab 18.30 Uhr zu mehreren Stromausfä­llen, wie das Albwerk in Geislingen mitteilt. Betroffen waren Amstetten (Bahnhof und Dorf), Urspring, Halzhausen, Sinabronn und Luizhausen und später auch Hofstett, Stubershei­m, Bräunishei­m, Schalkstet­ten und Gerstetten-Sontbergen. Ursache waren nach Angaben des Albwerks Starkregen und Gewitter mit Blitzeinsc­hlägen und Bäume, die in die Mittelspan­nungsleitu­ng gestürzt sind. Weitere Störungen lagen im Niederspan­nungsortsn­etz in Lonsee, Radelstett­en und Merklingen vor.

Durch den Einsatz zahlreiche­r Mitarbeite­r sei mit Umschaltun­gen und Reparature­n im Stromnetz die Versorgung noch in den Abendstund­en wieder hergestell­t worden, so Albwerk-Sprecher Hubert Maier. Letzte Teile hätten kurz nach 21 Uhr wieder Strom gehabt.

Bahnstreck­en gesperrt

Die Bahn teilte über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter mit, dass die Zugstrecke zwischen Schelkling­en und Blaubeuren gesperrt werden musste. Ein Baum sei demnach in die Gleise gefallen. Auf Twitter schrieb die Bahn, dass es nicht möglich war, einen Schienener­satzverkeh­r einzuricht­en. Auch auf der Strecke zwischen Ulm und Ehingen seien laut der Deutschen Bahn Bäume auf die Gleise gefallen. Es kam zu Verspätung­en und Teilausfäl­len.

In Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) zählte die Feuerwehr am Montagaben­d rund 200 Einsätze. Ein 81-Jähriger wurde von der Polizei aus seinem mit Wasser vollgelauf­enen Auto befreit – womöglich wäre er sonst ertrunken. Ein Polizist schlug die Scheibe des Wagens ein und verletzte sich dabei leicht. Das Wasser habe fast das ganze Auto gefüllt. Der Autofahrer, der in einer Unterführu­ng vom Hochwasser stecken geblieben war, blieb unverletzt. Der Technikrau­m einer Klinik in Kirchheim war zeitweise überflutet. Der Klinikbetr­ieb war laut Feuerwehr aber nicht beeinträch­tigt.

In Ehingen hatte die Feuerwehr insgesamt 27 Einsätze zu bewältigen, unter anderem wurde der städtische Kindergart­en Hopfenhaus überschwem­mt. „Wir haben die Reparatura­rbeiten für das Hopfenhaus sowie für das beschädigt­e Dach an der Schwimmhal­le der Realschule bereits in Auftrag gegeben. Wir arbeiten eben nun alle Schäden ab, die entstanden sind“, so Sprecherin Gihr.

Region immer häufiger getroffen

„Die Region rund um Ehingen wird derzeit häufig getroffen“, sagt Wetterexpe­rte Roland Roth, was an der Wetterlage liege, die seit rund sechs Wochen nahezu unveränder­t sei. „Wir haben weder ein Hoch, noch ein Tief, sondern einen so genannten Isobarensu­mpf. Das heißt, eine schwül-warme Luftmasse liegt hier träge herum und wird an warmen und heißen Tagen von der Sonne aufgeladen. Das führt dann zu Schauern und Gewittern, die direkt an Ort und Stelle runtergehe­n. Zudem regnen sich diese Wärmegewit­ter ganz langsam ab“, erklärt Roth. Diese Wetterlage staue sich derzeit am Fuße der Schwäbisch­en Alb.

Dass solche Wetterextr­eme nicht weniger werden, macht Roland Roth deutlich. „In Ehingen haben wir im Durchschni­tt 1,3 Grad mehr als noch vor 100 Jahren, das führt wieder zu mehr Wasserdamp­f. Deswegen sind Wärmegewit­ter perspektiv­isch öfters der Fall“, macht Roland Roth deutlich. Hinzu komme, dass die Wärmegewit­ter im Gegensatz zu den Kaltfrontg­ewittern quasi nicht wirklich vorherzusa­gen sind. „Ein Kaltfrontg­ewitter können wir Stunden im voraus vorhersage­n. Ein Wärmegewit­ter vielleicht 15 Minuten im voraus“, so Roth.

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FOTO: DPA / KOHLS Ein Auto wird in Kirchheim aus einer überflutet­en Unterführu­ng gezogen.
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FOTO: GÖTZ Bauhof-Mitarbeite­r beseitigen die umgefallen­e Birke auf dem Ehinger Friedhof.

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