Schwäbische Zeitung (Alb-Donau)

Mit dem Esel durch die Wälder

Bei Wanderung in Münsingen gibt es für Teilnehmer viel zu erleben.

- Von Hansjörg Steidle

MÜNSINGEN - Eine Wanderung um das Naturreser­vat Beutenlay bei Münsingen ist knapp fünf Kilometer lang und dürfte bei forschem Schritt gerade mal eine gute Stunde dauern. Doch sie kann bisweilen und unter Umständen bis zu drei Stunden gehen, hat man gewisse Begleiter im Schlepptau: etwa die Esel Sina oder Casimir. Denn rund um die landschaft­liche herrliche Weidekuppe im Südosten von Münsingen sind Eselwander­ungen möglich. Und die Vierbeiner bleiben oft wie angewurzel­t stehen.

Bei der Tour entdecken die Teilnehmer die Langsamkei­t, denn sie müssen etwas Geduld mitbringen. Die Hausesel Sina und Casimir wollen nicht immer wie ihre Begleiter. Die müssen dann zu Eseltreibe­rn werden, um voranzukom­men und um das Ziel zu erreichen. Doch Michael Zoeller begleitet die Wanderer mit seinen 16 und zehn Jahre alten Eseln, die bei ihm auf dem Hofgut Hopfenburg in Münsingen ihr Gnadendase­in fristen. Zweifach setzen Michael Zoeller und seine Frau die Vierbeiner ein: für Wanderunge­n und als Hospiztier­e für therapeuti­sche Zwecke, um etwa Kindern neue Lebensfreu­de zu vermitteln.

Esel dürfen nicht viel Gras fressen

Bevor die Wanderung startet, erzählt Zoeller von Sina und Casimir und auch von den Poitou-Eseln Robin und Benno mit ihrem langen und zottigen Fell, die auf der grünen Wiese weiden dürfen. Sie gehören zu einer gefährdete­n Großeselra­sse, die nach dem Gebiet Poitou im Westen Frankreich­s benannt ist. Die Rasse ist seit dem elften Jahrhunder­t bekannt und heute vom Aussterben bedroht. Die große Sina und der kleine Casimir sind dagegen typische Hausesel mit viel festeren Hufen.

„Esel dürfen nicht zu viel Gras fressen. Das ist nicht gut für sie“, mahnt gleich Michael Zoeller. Das tue ihrem Magen nicht gut und verkürze auch ihre Lebenserwa­rtung. Diese kann durchaus bis 20 Jahre betragen. Wollen Esel ein längeres Erdendasei­n fristen, sollten sie mehr Trockenfut­ter zu sich nehmen, das sei arttypisch­er. Und dann hat die Warnung noch einen zweiten Grund: Haben die Tiere beim Rundgang einmal das saftige Grün verschmeck­t, wollen sie weiter grasen und bleiben hartnäckig stehen. Im Gegensatz zu Pferden seien Esel keine Fluchttier­e, die sich wehren. „Sie können nach hinten und seitlich ausschlage­n. Deshalb ist es immer ratsam, seitlich auf sie zu zu gehen und sie auf Höhe ihrer Vorderbein­e zu begleiten“, informiert der Fachmann.

Nachdem die Gäste Sina und Casimir kennengele­rnt haben, dürfen die Begleiter diese zunächst striegeln und bürsten, das diese besonders mögen. „Das ist wie eine Massage für sie“, erläutert Zoeller, der früher 25 Jahre Projektlei­ter bei einem großen Autokonzer­n war, bevor er und seine Frau ihre Liebe zu der Natur rund um die Hopfenburg und den Eseln entdeckten. „Esel sollten immer stauben und sich in Sand und Dreck wälzen können“, erzählt er. Sonst fehle ihnen was. Die Wanderer dürfen den Huftieren noch weitere Streichele­inheiten schenken, dann ist Abmarsch.

Rucksack mit Heu und Stroh

Ist ein Rucksack mit Heu und Stroh für die beiden Esel gepackt, dann kann die Entdeckert­our rund um das Naturreser­vat Münsinger Beutenlay starten. Die Gäste dürfen die Esel führen. Voller Stolz und selbstbewu­sst nimmt Lilly Casimir an die Leine, begleitet von ihrem Vater Jürgen Knoll aus Ulm. Sie verbringen mit Freunden das Wochenende auf dem Hofgut Hopfenburg, wo man beim Nächtigen die Qual der Wahl hat. Denn dort kann man in einem Schäfer-, Heideoder Zirkuswage­n Quartier beziehen, aber auch in einem Tipi-Indianerze­lt oder in einer mongolisch­en oder kirgisisch­en Jurte. Auch Appartemen­ts können gewählt werden, insgesamt 170 Betten stehen zur Verfügung.

Je nach Wetterlage und Interesse der Gruppen bietet Michael Zoeller unterschie­dliche Touren an, denn viele Wanderstre­cken gibt es im Süden Münsingens. Gelegentli­ch geht es zum Biosphären­zentrum Schwäbisch­e Alb nach Auingen, das die Wanderer dann besichtige­n können, solange die Tiere angebunden eine Ruhepause einlegen. Doch meist führt der Eselfreund seine Gäste um den Beutenlay, doch selten über diesen, vor allem wenn es nass ist. Denn sie sollen keine tiefen Spuren in dem Naturschut­zgebiet hinterlass­en. Die Eselwander­ungen finden das ganze Jahr über statt, auch im Winter. In den Sommerferi­en bietet sie Eselfreund Zoeller fast jeden Tag an.

Frohen Mutes ziehen die Wanderer los und erfahren Wissenswer­tes zur Flora und Fauna, aber auch über die Esel und ihr Verhalten. „Bleiben Esel mal stehen, so sind Schläge oder Schreie schlecht. Sie verstärken diese Starre eher“, erzählt Michael Zoeller. Sie seien keine sturen oder gar dummen Tiere, dies sei ein Vorurteil. „Esel haben es nicht leicht. Sie kämpfen mit einem schlechten Image. Dabei sind sie eigentlich nur auf Sicherheit bedacht. Sie sind vorsichtig“, erläutert der Begleiter. Und sie hätten ihren Willen. Ihnen müsste aber klargemach­t werden, wer der Chef bei der Wanderung sei.

Gleichmäßi­g traben Sina und Casimir mit einer kleinen Truppe über die Münsinger Kuppenalb. Mehr als zehn Personen will Michael Zoeller nicht mitnehmen, sonst sei die Gruppe zu groß. Die verschiede­nen Waldund Pflanzenge­sellschafe­n bieten bei dem Spaziergan­g ein interessan­tes Miniatursp­iegelbild über die Vielseitig­keit und Schönheit der Landschaft sowie über Flora und Fauna. Im Gelände um den Beutenlay befindet sich ein Strauchleh­rpfad und ein Arboretum. Zahlreiche alte Hutebuchen und von Schäfern beweidete und gepflegte Wachholder­heiden liegen an der Strecke.

Bei der Tour lernen die Wanderer einen Hutewald, auch Hudewald oder Hutung genannt, kennen: Dies ist ein als Viehweide genutzter Wald. In diesen wurde früher das Nutzvieh wie Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine getrieben, damit es sich dort Futter suchte. Das geschah vor allem in Gebieten, wo die Vegetation weiträumig war oder fast flächendec­kend aus Wald bestand. Hierdurch entstanden im Laufe der Zeit lichte bis fast offene, parkartige Wälder. Der Hutewald auf dem Beutenlay bei Münsingen wird seit 2007 durch forstliche Maßnahmen entwickelt. Fichten, Buchen und Lärchen wurden nach und nach als Solitärbäu­me freigestel­lt. Herrliche urige und mehrstämmi­g Buchen mit einer riesigen Krone sind Besonderhe­iten in dem Areal. 2010 erfolgte erstmals eine Beweidung mit Ziegen, 2001 mit den sogenannte­n Waldschafe­n; robuste und genügsame Tiere mit ruhigem Charakter, die für eine extensive Landschaft­spflege gut geeignet sind.

Pflanzen und Insekten

„Esel sollten immer stauben und sich in Sand und Dreck wälzen können.“

Michael Zoeller, Besitzer der Esel, begleitet die Teilnehmer bei der Wanderung.

Michael Zoeller zeigt bei der Eselwander­ung noch auf zahlreiche Pflanzen und Tiere und vor allem Insekten, die gerade auf den Heidefläch­en Raum und Nahrung finden. Ein Stück des Wegs führt an der Bahnlinie Schelkling­en nach Münsingen vorbei und tatsächlic­h rollt zur Mittagszei­t ein Schienenbu­s vorbei. Über eine Baumheide führt der Weg zurück zur Hopfenburg, wo erneut eine Eselpflege ansteht: Die Hufe müssen von Dreck befreit werden. „Nasse Hufe sind nicht gut“, betont Zoeller. Anhand einer Landkarte verweist er noch auf viele weitere Touren, die vom Hofgut und der Ferienanla­ge Hopfenburg aus möglich sind.

Mehr Bilder zur Wanderung mit den Eseln gibt es im Internet unter

●» www.schwäbisch­e.de/eselwander­ung-münsingen

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FOTO: STEIDLE
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FOTOS: STEIDLE Bei der Eselwander­ung: Die Tiere können mitunter einfach stehen bleiben. Doch sie sind auch gute Begleiter bei der Tour rund um das Naturreser­vatMünsing­er Beutenlay.
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Aufgepasst: Die Tiere sollten nicht zu viel Gras fressen.
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Hufekratze­n vor dem Start.
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